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Hier erfährst Du, welche Rolle die Fellfarbe für die Zucht in einzelnen Hunderassen spielt und warum manchmal Welpen in unerwarteten Farben fallen. Und was es mit diesen so genannten Fehlfarben beim Hund eigentlich auf sich hat.
Wenn Dich die Genetik hinter den verschiedenen Fellfarben interessiert, dann bitte hier entlang.
Die Hundepopulation
Wie man eine Population definiert, hängt ein bißchen vom Kontext ab.
Man könnte zum Beispiel alle Hunde als eine große Population bezeichnen, denn sie sind ja theoretisch alle miteinander zeugungsfähig.
Zwischen einzelnen Hunderassen ist der Genfluss allerdings durch unsere Einwirkung unterbrochen.
Individuen verschiedener Hunderassen könnten also theoretisch noch Nachwuchs miteinander zeugen, kommen aber praktisch niemals dazu. Ein Züchter von reinrassigen Dackeln wird tunlichst vermeiden, dass seine Hündin sich mit Nachbars Mischling paart.
Einzelne Hunderassen bilden also genetisch vom restlichen Hundebestand isolierte Teilpopulation.
Innerhalb mancher Hunderassen werden die möglichen Zuchtpartner oft weiter künstlich reduziert, da nur bestimmte Varietäten (Showlinie, Arbeitslinie, Farbschläge, Größen, Haartextur,…) miteinander verpaart werden. Und auch zwischen Kontinenten wird Genmaterial einfach aus logistischen Gründen seltener ausgetauscht.
Rassereine Hundezucht führt also zu einer gewissen genetischen Isolation.
Fellfarbe als Selektionskriterium in der Hundezucht
Auch wenn verschiedene Hundetypen schon lange existieren, so entstanden viele der heute bekannten ±500 Hunderassen zum Großteil aus einer jeweils relativ kleinen Gründerpopulationen.
So entstand z.B. der Krohmfohrländer ursprünglich nur aus einem einzigen Zuchtpaar. Und auch in der Nachkriegszeit konnten viele Hunderassen nur erhalten werden, indem massive Inzucht mit den wenigen verbliebenen Hunden betrieben wurde.
Fast jede Hunderasse hatte also schon von Beginn an nur einen Bruchteil der genetischen Vielfalt aller Hunde zur Verfügung. Man spricht hier von einem genetischen Flaschenhals.
Die weitere Selektion von Zuchttieren anhand schriftlich genau festgelegten Merkmalen ist ein relativ neues Phänomen der letzten paar hundert Jahre.
Züchterische Selektion ist zielgerichtet.
Zucht soll u.a. sicherzustellen, dass sich bestimmte Merkmale innerhalb einer Hunderasse etablieren und andere nicht. Einseitige Selektion auf die gleichen Merkmale sorgt dafür, dass es zunehmend weniger Ausreißer von einer definierten Norm (dem schriftlich festgehaltenen „Rassestandard“) gibt.
Auswahlkriterien, nach denen Zuchttiere ausgewählt werden, sind neben Charakter, Wesen und Arbeitseignung eben auch optische Merkmale wie Fellfarbe und -beschaffenheit und „typvolles“ Aussehen.
Selektion erfolgt dabei meist aufgrund der für den Züchter sichtbaren Merkmale, also des Phänotyps, und führt zu einer Verschiebung von Allelhäufigkeiten in einzelnen Hunderassen.
Beim Bernhadiner z.B. ist heute in der FCI-Zucht sowohl das bekannte rötliche Haarkleid mit Weißanteil als auch Stromung toleriert. Aber getromte Tiere scheint es in der Rasse schon lange nicht mehr wirklich zu geben. Oder hast Du schon mal einen gestromten Bernhadiner gesehen?
Hunde gibt es bekanntermaßen mit vielen Fellfarben. Aber in den meisten Hunderassen findet man deshalb nur noch einen Bruchteil aller Möglichkeiten.
Effektiv führt dies zu einer Anreicherung von homozygoten Allelen und eines stereotypen Genotyps für jede einzelne Hunderasse. Die Folge sind fast baugleiche Individuen mit vielfach identischen phänotypischen und genotypischen Merkmalen.
Hier mal ein Link zu den Standards aller FCI-anerkannten Rassen. Dort kannst Du im Rassestandard für jede Hunderasse nachlesen, welche Farben jeweils erlaubt sind.
Genpool und genetische Vielfalt
Als Genpool fasst man alle in einer Population vorhandenen Allele zusammen.
Existieren mehrere Allele für den gleichen Genort innerhalb einer Population, so nennt man dies ( ab ca. 1 % Allelhäufigkeit) Polymorphismus.
Border Collies oder Labrador Retriever sind für den B-Lokus polymorph, hier findet man die verschiedenen Alle B und b. Hunde dieser Rassen gibt es in schwarz (BB, Bb) oder braun (bb).
Tragen alle Vertreter einer Population das exakt gleiche Allel am selben Genort, ist also nur dieses eine Allel vorhanden, so nennt man dies Monomorphismus.
Berner Sennenhunde oder Rottweiler sind für den B-Lokus monomorph BB. Das rezessive b-Allel wurde durch Zuchtselektion aus dem Genpool entfernt.
- Seltene neue zufällige Mutationen und Einkreuzungen von nicht der selben Rasse angehörigen Tieren vergrößern den Genpool (angewandt z.B. beim Zuchtprojekt „LUA-Dalmatiner“).
- Inzucht und künstliche Selektion auf bevorzugte Merkmale verkleinern deren Genpool einer Hunderasse.
Weitere Effekte, die innerhalb einzelner Hunderassen zu genetischer Verarmung und phänotypischem Monomorphismus führen sind z.B. das „popular-sire-Syndrom“ und der oben schon erwähnte Gründereffekt durch wenige bei der Rasseentstehung beteiligten Individuen.
Das ist der Grund dafür, warum in den meisten Hunderassen nahezu alle Individuen für viele der phänotypisch selektierbaren Merkmale homozygot sind. Sie können nicht heterozygot sein, wenn in ihrer isolierten Teilpopulation überhaupt nur noch ein einziges Allel für einen Genlokus vorhanden ist.
Problematisch daran ist oft gar nicht die Farbe eines Hundes.
Aber durch die zugrunde liegenden Zuchtpraktiken reichern sich eben manchmal nicht nur Farballele an, auch Erbkrankheiten können sich durch übertriebene Inzucht schleichend von Generation zu Generation anreichern.
Und damit sind eben nicht nur dominant-rezessive Erbkrankheiten gemeint, denen man leicht mit einem Gentest auf die Schliche kommen kann.
Man weiß zum Beispiel, dass braune Labradore aufgrund ihrer Beliebtheit oft über Generationen farbrein gezüchtet werden.
Das führte laut einer Untersuchung an der britischen Labradorpopulation zu einer unabsichtlich herbeigeführten verminderte Lebenserwartung bei braunen Labradoren gegenüber den anderen Farbschlägen. Man hat versehentlich neben der Farbe auch Defektgene angereichert,
Das ist übrigens auch der zugrunde liegende Effekt bei verschiedenen Temperamenten je nach Farbschlag.
Die Farbe ändert auf physiologischer Ebene rein nichts am Charakter. Aber es ergeben sich eben manchmal zufällig in bestimmten Linien bestimmte Wesensmerkmale, die mit einer bestimmten Farbe korrelieren.
Wenn in der Showlinie einer Rasse schwarze Hunde bevorzugt werden, in der Arbeitslinie braune Hunde und in der Sportlinie weiße Hunde, führt das natürlich über Generationen hinweg zu einem anderen Wesenstyp.
Diffuse Probleme wie kleine Wurfgrößen, eine verminderte Vitalität oder ein erhöhtes Krebsrisiko bemerkt man oft erst nach Generationen und kann sowas nachträglich kaum noch reparieren.
Und die offensichtliche Lösung rassefremdes Genmaterial einzuschleusen und den Genpool aufzufrischen ist im verbandsmäßig organisierten Zucht- und Austellungswesen ein schwieriges Unterfangen (und vielfach verpönt, manche Züchter bevorzugen rasserein über gesund).
Aber zurück zu den Farben:
Oftmals sind äußerliche Merkmale sogar namensgebend für eine Hunderasse:
Golden Retriever, Irish Soft Coated Wheaten Terrier, Kerry Blue Terrier, Weisser Schweizer Schäferhund, Brandlbracke, Curly Coated Retriever, Rauhaardackel, Irish Red Setter, Russischer Schwarzer Terrier, Zwergpinscher,..
Bei einigen Arbeitsrassen wurde bei Erstellung des Zuchtstandards nicht ganz so viel wert auf die Farbe gelegt. So gibt es zum Beispiel Border Collies in vielen Farben und Haarschlägen.
In den verschiedenen Zuchtlinien gibt es zwar starke Präferenzen für einzelne Phänotypen, aber grundlegend sind (noch) viele verschiedene Farben, Ohrtypen und Haarlängen erlaubt.
Bei anderen Hunderassen kann die im Rassestandard fixierte Farbe genetisch auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden. Das kann auch für mehr genetische Vielfalt sorgen, wenn auch unbeabsichtigt.
Das beim Nova Scotia Duck Tolling Retriever geforderte Haarkleid in den „verschiedenen Schattierungen von rot oder orange“ mit „Pigmentierung der Nase, der Lefzen und der Augenränder [in] fleischfarben […] oder schwarz“ könnte zumindest theoretisch nicht nur durch den häufigen Genotyp e/e (Rezessives Gelb), sondern auch durch oder Ay/- (Zobel) zustande kommen.
Rezessive Allele und Fehlfarben bei Rassehunden
Gelegentlich passiert es, dass nach zig Generationen, in denen nur äußerlich gleiche Hunde verpaart werden, plötzlich ein optischer Ausreißer in der Wurfkiste liegt. Dann denkt man natürlich zuerst an ein Kuckuckskind…
…dabei muss dem gar nicht so sein!
Insbesondere rezessive Allele können sich über Generationen im Genom ihrer Träger „verstecken“ und dank der Anwesenheit eines dominanten Allels am gleichen Genort nie zur Ausprägung kommen.
Wenn dann zwei Träger dieses versteckten Merkmals miteinander verpaart werden und der Nachwuchs von beiden Elternteilen das rezessive Allel erbt, kann dieses „plötzlich“ nach vielen Generationen im Phänotyp sichtbar werden.
Zum Beispiel findet man bei Dalmatinern oder Flat Coated Retriever auch in einer gewissen Regelmäßigkeit das e-Allel. Trägt ein Hund homozygot ee, dann führt das zu einer weißblonden bis rötlichen Fellfärbung, die bei beiden Rassen laut Standard unerwünscht ist.
Passiert so etwas häufig genug, dann erkennt man das „Problem“ innerhalb der Rasse an, benennt den Phänotyp üblicherweise als „Fehlfarbe“ und schließt diese Welpen von der Zucht aus.
Allelfrequenzen bei Hunderassen
Im Genpool verschiedener Rassen findet man durch die jeweilige Zuchthistorie bestimmte Allelhäufigkeiten.
Eine 2019 veröffentliche Untersuchung lieferte neben den bekannten Fehlfarben einige interessante Erkenntnisse über Allelfrequenzen in 212 verschiedenen Hunderassen:
So fand man bei 143 der untersuchten Rassen Allele, die potentiell einen laut Zuchtstandard unerwünschten Genotyp hervorbringen könnten. Und man fand heraus, dass fast 80 % dieser unerwünschten Allele im Genpool dieser Hunderassen einem dominant-rezessiven Erbgang folgen.
Zu den vielen Funden hinsichtlich Fehlfarben zählten u.a. folgende Allele bei einzelnen Hunderassen, die zu in der FCI-Zucht unerwünschten Phänotypen führen könnten:
- at (Tanmarken) bei Malinois, Boxer, Briard, SharPei, ChowChow, Französischer Bulldogge, Deutscher Dogge, Rhodeasian Ridgeback
- a (Rezessives Schwarz) bei Welsh Corgie Pembroke, Französischer Bulldogge, Rottweiler
- aw (Agouti) bei Deutscher Dogge, Cavalier King Charles Spaniel, Malinois, Australian Shepherd, Cocker Spaniel
- E (keine Maske) bei Bullmastiff, Wolfsspitz
- e (Rezessives Gelb) bei Australian Cattle Dog, Boston Terrier, Dalmatiner, Flat Coated Retriever, Deutschem Schäferhund, Deutsch Drahthaar, Gordon Setter, Wolfsspitz, Neufundländer, Schipperke, Swedish Vallhund, Yorkshire Terrier
- ky (erlaubt A-Lokus, z.B. Tanmarken) bei Dalmatiner, Flat Coated Retriever, Riesenschnauzer, Kerry Blue Terrier, Labrador, Großer Münsterländer, Mudi, Pudel, Pumi, Weimaraner
- b (Braun) beim Akita, American Staffordshire Terrier, Australian Cattle Dog, Malinois, Boston Terrier, Boxer, Welsh Corgi Cardigan und Pembroke, ChowChow, Collie, Französischer Bulldogge, Deutschem Schäferhund, Deutscher Dogge, Großen Münsterländer, Zwergschnauzer, Papillon, Parson Russell Terrier, Rottweiler, Drahthaar-Foxterrier, Yorkshire Terrier
- sp (Weißscheckung) bei Bearded Collie, Beauceron, Tervueren, Dobermann, SharPei, Cane Corso, Eurasier, Schnauzern, Rottweiler
- d (Dilute) wurde in der Studie nicht untersucht, ist aber dennoch erwähnenswert. Denn zu Blau verdünntes Fell ist ebenfalls bei einigen Hunderassen als Fehlfarbe bekannt, z.B. beim Australian Shepherd oder beim Malinois.
Was das alles bedeutet?
In seltenen Fällen kann es passieren, dass auch in der geplanten Verbandszucht mal ein Dalmatiner in der Farbe „Lemon“, ein Labradorwelpe mit Tanmarken, ein brauner Rottweiler, Boston Terrier, Zwergschnauzer, etc. oder ein Malinois mit blauer Maske geboren wird.
Daraus kann man dann ein Drama machen oder eben auch nicht.
Durch die Möglichkeit seine Hunde mittlerweile vor einem Zuchteinsatz auch auf die getragenen Farben testen zu lassen, passieren solche Launen der Natur ohnehin nur noch selten.
Ob es allerdings sinnvoll ist einen Hund nur wegen der Farbe von der Zucht auszuschließen, sei mal dahingestellt.
Nochmal absurder finde ich den Sachverhalt, wenn dann auch noch verschiedene Verbände unterschiedliche Farben erlauben.
So darf ein Neufundländer im amerikanischen Kennel Club „black, brown, gray, and white and black“ (AKC-Standard) sein, in der FCI hingegen sind nur die Farben „Schwarz, weiss-schwarz und braun“ (FCI-Standard) erlaubt.
Und in beiden Verbänden finde ich es absurd, dass Braun erlaubt ist, Schwarz mit Weiß erlaubt ist, Braun mit weißen Abzeichen hingegen einen Fehler darstellt…
Es macht aus meiner Sicht nicht wirklich viel Sinn immer weitere Unterpopulationen genetisch voneinander abzugrenzen und zeigt deutlich, was für ein künstlich erdachtes Konstrukt der Rassestandard bei vielen Hunderassen darstellt.
In oben genannter Studie kam man übrigens ebenfalls zu dem Schluss, dass selbst innerhalb von Hunderassen andere Allelhäufigkeiten in verschiedenen Zuchtlinien beobachtet werden können.
Wenig überraschend für jeden, der schon mal probiert hat einen Border Collie auszustellen, der nicht klassisch schwarz-weiß gezeichnet und langhaarig ist. Oder einen Retriever aus Arbeitslinie. Auch hier gibt es in Showlinien eine klare Präferenzen hin zu einem einseitigen Phänotyp.
Über Ausstellungswesen sowie Sinn und Unsinn mancher Zuchtpraktiken und die Engstirnigkeit hinsichtlich der jüngst erst erfundenen Rassereinheit kann ich zwar auch nur den Kopf schütteln, aber das würde hier den Rahmen sprengen.
Dass sich beim Ottonormalhundehalter „seltene“ Farben gut verkaufen lassen, sieht man leider an den ganzen Wühltischwelpen in „Modefarben“.
Hier lebt ein kompletter Markt davon, dass auf Teufel komm raus rein auf sonst nicht verfügbare Farben vermehrt wird. Französische Bulldoggen und Pudel in Merle oder blaue Labradore sind in dieser Parallelwelt schon längt keine Seltenheit mehr.
Aber natürlich kommen diese Farben hier nicht wie oft angepriesen „durch seltene neue Mutationen“ zustande, sondern durch Einkreuzung optisch ähnlicher Hunde (z.B. stammt das Blau im Labrador vermutlich vom eingekreuzten Weimaraner).
Ganz ohne Frage spielt die Optik und nicht zuletzt die Fellfarbe bei fast allen züchterischen Entscheidungen eine große Rolle beim Zuchteinsatz vieler Hunde!
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Zusammenfassung
Verschiedene Hunderassen können als genetisch voneinander isolierte Teilpopulationen angesehen werden.
Innerhalb von Hunderassen wird u.a. durch züchterische Selektion auf bestimmte Merkmale und Linienzucht ein hohes Maß an Homozygotie erreicht.
Die allermeisten Vertreter einer Hunderasse sind demnach reinerbig für viele Genorte, die für den Phänotyp verantwortlich sind.
Dennoch passiert es gelegentlich, dass rezessive Allele über viele Generationen hinweg vererbt werden, ohne im Phänotyp sichtbar zu sein.
Bei einer Verpaarung zweier Träger für solch ein „verstecktes“ rezessives Allel kann es zu einer unerwarteten und oftmals unerwünschten Merkmalsausprägung kommen, die dann meist als „Fehlfarbe“ klassifiziert wird.