Hunde beschäftigen und auslasten: Warum, Wie viel und Womit?

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Hunde sind intelligente und hochsoziale Lebewesen.

Sie können Probleme lösen und Freundschaften schließen. Sie haben Meinungen und Vorlieben. Und sie sind ganz offensichtlich lern- und merkfähig.

Das richtige Maß an Beschäftigung trägt dazu bei, dass Hunde zufrieden und ausgeglichen sind. Dabei wird oft missverstanden, was gute Beschäftigung aus Hundesicht ausmacht.

Beschäftigung bedeutet nämlich nicht, dass Hunde ein 24/7-Animationsprogramm mit uns als Vortänzer brauchen.

Hier zeig ich Dir, worauf es bei der körperlichen und geistigen Auslastung des Hundes ankommt.

Lies auch den Artikel mit vielen konkreten Beschäftigungsideen für den Alltag.

Was ist mit Auslastung und Beschäftigung des Hundes gemeint?

Wörter wie „Auslastung“ und „Beschäftigung“ werden oft zu wörtlich ausgelegt.

Viele meinen, dass es darum geht, dass der Hund sich aktiv mit einer bestimmten Sache (Spielzeug, Training, Bewegung…) befassen soll bis er so müde bzw. ausgelastet ist, dass er daheim keinen Quatsch mehr anstellt.

Bei Beschäftigung geht es aber gar nicht darum, dass wir den Hund zu wahllosen spaßigen Freizeitaktivitäten nötigen, um unser eigenes schlechtes Gewissen zu entlasten.

Im englischen Sprachraum wird im Kontext Hundespaß das Wort „Enrichment“ (Bereicherung) benutzt. Das trifft es eher auf den Punkt: Es geht darum, dass wir den Alltag des Hundes mit für ihn interessanten Optionen füllen.

Bei hundgerechter Beschäftigung geht es darum dem Hund Möglichkeiten zu bieten sich in einer Weise zu entfalten und auszuleben, wie er das im normalen Alltag nicht jederzeit kann.

Es gehört zu den Grundbedürfnissen eines Hundes, dass er von uns angemessene Gelegenheiten erhält seine natürlichen Verhaltensweisen ausüben zu können.

Zu den natürlichen Verhaltensweisen gehören simple Dinge wie rennen, jagen, buddeln, lange schlafen, das Grundstück verteidigen, nach Futter schnüffeln, sich das Futter zu erarbeiten, anderen Hunden am Hinterteil riechen oder sich im Aas Gras zu wälzen.

Beschäftigung soll also u.a. artgerechtes Verhalten ermöglichen.

Die meisten Hunde sind schon glücklich und zufrieden mit ihrem normalen Alltag. Wenn sie ausreichend Spaziergänge erhalten und hier und da mal ein Goodie oder ein bißchen Zuwendung, vermissen sie nichts.

Das hängt sicherlich auch davon ab, ob man ehrlich zu sich war und den passenden Hundetyp für seinen Lebenswandel ausgewählt hat.

Denn manche Hunde sind tatsächlich mit ihrem Alltag über- oder unterfordert, frustriert, unzufrieden oder leiden unter chronischem Stress oder chronischer Langeweile.

Je nachdem, was dem Hund fehlt, kann man durch die Art der Beschäftigung Situationen in den Alltag des Hundes integriere, in denen er sein Gehirn benutzen muss, sich besser entspannen kann oder aufgestaute Energie los wird.

Aufregung gehört zum Leben eines Hundes dazu und wildes ausgelassenes Spiel macht halt auch einfach Spaß. Es geht hier mehr um die langfristige Alltagsgestaltung des Hundes.

Es gilt immer das richtige Mittel und das richtige Maß an Beschäftigung für den eigenen Hund zu finden. Was für einen Hund funktioniert, muss nicht für alle Hunde richtig sein.

Gute Beschäftigung soll unsere Hunde glücklich machen und ihren Alltag bereichern. Positive Erlebnisse führen zu positiven Gefühlen beim Hund. Wenn der Hund von einem Ohr zum anderen strahlt, haben wir einen guten Job gemacht.

Zeichen für falsche Auslastung: Langeweile und Hyperaktivität

Unser Leben fordert Hunden schon einiges ab.

Nicht jeder Hund kommt gleich gut klar mit Besuchen in Ausflugslokalen, Autofahrten oder dem Stadtleben mit seinen tausend (unangenehmen) Gerüchen.

Viele Hunde sind durch zu viel Stimulation und Action im Dauererregungszustand.

Auf der anderen Seite mangelt es an Möglichkeiten zur Beschäftigung der grauen Zellen. Wir spielen und trainieren zu selten mit unseren erwachsenen Hunden. Und wenn wir die Zeit finden, probieren wir selten mal was Neues.

Einem Hund, dem im Alltag auf Dauer bestimmte Möglichkeiten sich auszuleben oder sich zu entspannen fehlen, kann das auf die Psyche schlagen. Im Extremfall macht sich das früher oder später auch an seinem Verhalten sichtbar.

Zeigt der Hund auffällige Verhaltensweisen, werden diese aber nicht immer richtig gedeutet. Denn viele der folgenden Verhaltensweisen sind nicht nur Anzeichzen für Langeweile und Frust, sondern können auf Überforderung und Überstimulation ohne Möglichkeit zur Entspannung hindeuten:

  • Neurotisches Verhalten, Ängstlichkeit und Phobien
  • Geringe psychische Widerstandskraft, erholt sich langsam von Stresssituationen
  • Zappelhundsyndrom, sich nicht konzentrieren können
  • Hyperaktivität, keine Ruhe finden, immer in Bewegung
  • Langanhaltendes Bellen ohne wirklichen Grund
  • Aufforderndes Verhalten wie Pföteln, Kopf auflegen, Weinen
  • Klettiges Verhalten, man könnte ja was verpassen
  • Impulsives Verhalten, schnell „aus dem Pelz fahren“
  • Gereiztes Verhalten, wenig Geduld mit z.B. anderen Hunden
  • Weglaufen, nicht mehr hören, eigene Abenteuer suchen
  • Aufgedrehtes hin und her rennen („Zoomies“, „seine 5 Minuten haben“)
  • Dinge belecken, benuckeln und beknibbeln
  • Übertriebene Körperpflege, akrale Leckdermatitis
  • Frenetisches Buddeln (nicht nur draußen, auch in Polstermöbeln)
  • Unarten (Tapete rupfen, Schuhe zerkauen, Müll ausräumen…)
  • Stereotypien, zwanghaftes Verhalten, OCD, also wiederholtes Verhalten ohne Funktion z.B. Lichter jagen, nach unsichtbaren Fliegen schnappen, im Kreis drehen
  • Antriebslosigkeit, Depression, Traurigkeit

Nicht jede dieser Verhaltensweisen hängt direkt mit der Freizeitgestaltung des Hundes zusammen.

Psychische Probleme können z.B. auch das Resultat von neurologischen Erkrankungen, „einer schweren Kindheit“ oder zu harschen Trainingsmethodens sein.

Selbstverständlich ist es auch kein Grund zur Sorge, wenn der Familienhund mal kurz die eine oder andere dieser Verhaltensweisen zeigt.

So lange nicht das immer gleiche Verhalten regelmäßig auftritt und der Hund von alleine wieder damit aufhören kann, ist alles im Lot.

Jeder Hund hat mal einen aufgeregten Tag. Gerade junge Hunde sprühen oft vor Energie und neigen zu impulsivem Verhalten.

Und alle Hunde bellen mal, bitten um Aufmerksamkeit, jagen mal im Spiel die eigene Rute, kriegen mal „ihre 5 Minuten“  oder stellen mal Blödsinn an.

Aufregung wird oft als Freude fehlinterpretiert

Leider werden aber manche dieser Zeichen von vielen Leuten fälschlicherweise als „der ist ja total triebig“ oder „der hat aber Spaß“ interpretiert.

Ein Hund, der mit weit aufgerissenen Augen von morgens bis abends unterwegs ist, wie ein Bekloppter dauerwedelt, seine Spielzeuge umherträgt und hektisch auf der Suche nach der nächsten Action ist, ist aber selten ein fröhlicher Hund.

Sondern einer, der völlig überfordert ist, nie gelernt hat zu entspannen oder einfach keine Gelegenheit dazu bekommt.

Hier braucht es manchmal ein bißchen Intuition oder eine Expertenmeinung, um Spaß und Lebensfreude von frenetischer Raserei zu unterscheiden.

Spannungslösendes Verhalten kann süchtig machen

Man denke mal an die Extremfälle, also an die ganzen Zwingerhunde oder Hunde, die viel zu lange ohne Ansprache in kleinen Faltboxen sitzen. Oder in Anbindehaltung allein im Schrebergärten vor sich hinvegetieren. Sowas gibt es leider auch in Deutschland.

Das Problem besteht darin, dass viele der oben genannten Tätigkeiten sich gut anfühlen für den Hund. Verhaltensweisen wie die eigenen Pfoten belecken oder auf und ab laufen wirken ablenkend,  selbtberuhigend und damit selbstbelohnend.

Und was sich gut anfühlt, kann schon vernunftbegabten Menschen süchtig machen. Das sind quasi die hündischen Entsprechungen von Alkoholismus und Nägel kauen.

Hunde, die unter extrem reizarmen Bedingungen gehalten werden, leiden körperlich unter dem Mangel an Stimulation und Sozialkontakt.

Wenn ein Hund dauerhaft keinen Weg geboten bekommt seine Energie und seine Gefühlswelt auf gesunde Art und Weise zu regulieren, kann aus einem spannungslösenden Verhalten mitunter eine Zwangsstörung werden.

Ab diesem Punkt kann man den Hund nur noch mit einer langfristig angelegten professionellen Verhaltenstherapie und u.U. Medikamenten wieder rehabilitieren und aus dieser Spirale retten.

Mehr Action ist kein Heilmittel für Hunde mit Verhaltensauffälligkeiten!

Angemessene Beschäftigung soll verhindern, dass es überhaupt so weit kommt, dass der Hund Gefühlslagen erlebt, die ihn dauerhaft überfordern und sich im Verhalten niederschlagen.

Gute Beschäftigung kann dafür sorgen, dass ein falsch ausgelasteter Hund sich wieder normalisiert. Falsche Beschäftigung kann die Situation für den Hund aber auch weiter verschlimmern.

Beschäftigung soll die individuellen Bedürfnisse eines Hundes befriedigen

Jeder Hund ist ein Individuum mit eigenem Charakter, Talenten und Vorlieben.

Egal, wie wir die Freizeit mit unseren Hunden gestalten, nicht alle Hunde reagieren gleichermaßen auf das selbe Angebot. Sonst gäbe es ja auch keine Hunderassen und -persönlichkeiten. Wäre ja sonst auch langweilig.

Nicht jeder Hund genießt es, wenn wir ihn in auf den Hundeplatz, in Hundespielgruppen oder zu Erledigungen mitschleifen. Andere Hunde blühen dann erst so richtig auf.

Es liegt an uns herauszufinden, was unserem Hund wirklich Freude im Leben bereitet und wo der gute Mittelweg zwischen einem abwechslungsreichen Leben und genug Ruhezeiten liegt.

Hunde brauchen Zeit zum faul rumliegen

Bevor wir uns über die richtige Beschäftigung für den eigenen Hund Gedanken machen, sollten wir prüfen, ob er genug Zeit hat aufregende Erlebnisse überhaupt zu verarbeiten.

Müßiggang ist die Lieblingsbeschäftigung vieler Hunde!

Hunde brauchen viel Schlaf. Ein erwachsener Hund sollte täglich die Gelegenheit haben rund 12-14 Stunden lang zu regenerieren, zu schlafen und zu träumen. Bei jungen Welpen sind es sogar um die 18 Stunden.

Und auch ein Großteil der wachen Zeit wird gern dösend und faulenzend verbracht.

Eingebunden in unseren aus Hundesicht hektischen Lebensstil und den Zwang, dass jeder Hund ein oder mehrere Hobbies braucht, machen wir oft zu viel mit unseren Hunden. Sehr empfehlenswert finde ich zu dem Thema auch den Beitrag von Tierarzt Ralph Rückert: In bester Absicht oder doch zu viel?

Beschäftigung soll Langeweile vertreiben

Hohes Alter des Hundes, Gelenkerkrankungen, ein Umzug in eine Stadtwohnung ohne Garten, Schietwetter, dunkle Wintertage und Rekonvaleszenz nach Verletzungen sind alles Gründe, den Hund täglich länger unter Hausarrest zu stellen als ihm lieb ist.

Und an manchen Tagen hat man einfach keine Zeit für lange Spaziergänge.

Ist er sonst mehr Abwechslung gewohnt gewesen, fehlt ihm das dann natürlich.

Bevor der Hund mangels Bewegung und Beschäftigung einen Koller bekommt, ist es wichtig ihn entsprechend zu stimulieren.

Hier kann man durch soziale Interaktion und kleine Aufmerksamkeiten zwischendurch, kurze Indoor-Trainingseinheiten und neue Spielzeuge für Abwechslung sorgen.

Und auch, wenn der Hund sich nicht bewegen oder aufregen soll, kann man ihm neue Eindrücke verschaffen, indem man ihm für ihn neue Lebensmittel anbietet oder einfach die Natur nach drinnen holt und ihm was zum abschnüffeln von draußen mitbringt.

Beschäftigung soll beim allein bleiben helfen

Ist man berufstätig und der Hund viel allein daheim, schläft er in dieser Zeit vermutlich viel. Hier sollte man sich eher darauf konzentrieren den Hund vor und nach dem Allein-Sein entsprechend zu beschäftigen durch Spaziergänge und Interaktion.

Es schadet aber bestimmt nichts ihm z.B. Kauspielzeuge anzubieten und leise Hintergrundmusik anzumachen.

Allein schon spaßeshalber lohnt es sich mal eine Kamera aufzustellen, um nachträglich zu sehen, was der Hund in Deiner Abwesenheit anstellt und Beschäftigungen entsprechend zu planen.

Rührt er die angebotenen Sachen überhaupt an? Was mag er besonders?

Empfindet der Hund zu Trennungsangst und jault während Deiner Abwesenheit, wird kein Spielzeug dieser Erde ihn davon ablenken. Hier helfen nur Management und Training.

Ob man den Hund tagsüber zu einer Doggy Daycare bringt, hängt nicht nur von der eigenen finanziellen Situation ab. Man sollte viel Zeit in die Recherche nach einem guten Angebot stecken.

Die allerwenigsten Hunde fühlen sich wohl, wenn sie in eine wahllos zusammengewürfelte Gruppe aus 20 fremden Hunden geworfen werden und den ganzen Tag Remmidemmi herrscht. Und man muss einer fremden Person schon sehr vertrauen, um den eigenen Hund in ihre Obhut zu geben, finde ich.

Besser finde ich die Lösung den Hund bei einem privaten Dogsitter zu belassen oder einen Gassigänger zu beauftragen.

Hier ist die Zusammensetzung der Hundegruppen oft konstanter und kleiner, das ermöglicht Ruhezeiten und Pausen. Das macht die Situation wiederum überschaubarer und entspannter.

Wenn eine mit Hunden unerfahrene Person aus Deinem Familien- oder Freundeskreis auf Deinen Hund aufpassen soll, kann es hilfreich sein ein paar Beschäftigungsutensilien und Kausachen mitzugeben.

Das verhindert, dass der Hund sich eigene Beschäftigungen sucht und die betreuende Person nicht weiß, wie sie reagieren soll oder es zu Konfliktsituationen mit dem Hund kommt.

Beschäftigung soll Energie verbrennen

Bewegung ist das beste Mittel gegen aufgestaute Energie. Tägliche Spaziergänge sind ein Muss in der Hundehaltung!

Schließlich wurden genau aus diesem Grund nicht wenige Hunde überhaupt erst angeschafft: Weil man dann einen Grund hat in die Natur zu gehen und sich selbst zu bewegen.

Wie viel Spaziergang „richtig“ ist, richtet sich nach dem Hund. Junge aktive Hunde wollen mehr als alte und gesundheitlich angeschlagene Hunde.

Ein Hund, der sich frei auf einem großen Grundstück bewegen kann, braucht weniger Ausflüge als ein Hund, der in einer Stadtwohnung lebt.

Und ein Hund, der frei laufen darf, legt während dem Spaziergang mehr Strecke zurück als ein angeleinter.

Ein gesunder Hund sollte aufgeteilt auf mehrere Spaziergänge mindestens 1-3 Stunden am Tag draußen verbringen.

Bei einer Befragung von Haushalten mit und ohne Hund im britischen Liverpool stellten Wissenschaftler 2019 fest, dass Hundebesitzer sich durchschnittlich mit etwa 250 Minuten wöchentlich viel mehr bewegen als Nicht-Hundebesitzer (Quellen: Westgarth et. al. 2019).

Ja, das bedeute bei gleichmäßiger Verteilung auf die Wochentage lächerliche 35 Minuten tägliche Bewegung mit dem Hund. Und trotzdem mehr als bei den Nicht-Hundehaltern! Wow…

Es geht aber nicht nur darum draußen zu sein. Jeder fitte Hund sollte regelmäßig die Gelegenheit bekommen nach Herzenslust zu schnüffeln, ohne Leine frei rennen und sich im Gras wälzen zu können.

Manche Hunde nehmen das mit der Bewegung draußen sehr ernst und würden ohne Leine jedem Kaninchen nachhetzen. Bis das Abruftraining nicht auch unter Ablenkung sitzt (und das wird es bei manchen Hunden eben nie verlässlich) herrscht Anleinpflicht für den Delinquenten!

Hunde, die dauerhaft an der Leine geführt werden, sollten ein gut sitzendes Brustgeschirr bekommen. Das erlaubt eine freiere Bewegung, bei der der Hund auch mal einer Geruchsspur folgend mäßig ziehen kann, ohne sich die Luft abzuschnüren.

Und es ist einfach die sicherere Option, wenn man den Hund an einer möglichst langen Leine führt, um ihm dennoch ein bisschen Freiheit zu ermöglichen.

Ganz wichtig: Lass den Hund in seinem Tempo rumschnüffeln. Draußenzeit ist seine Zeit, nicht Deine! Man neigt sonst sehr dazu den Hund ständig mit sich zu ziehen, weil man selbst lustwandeln möchte. Das ist für angeleinte Hunde hochfrustrierend.

Weitere Möglichkeiten den Hund zu Bewegung zu animieren sind u.a. Fang- und Rennspiele mit dem Hund, intelligente Dummy- und Apportierspiele (Wurfspiele nur in Maßen!), Spiel mit anderen Hunden (wenn der eigene Hund das mag) und natürlich Training und Hundesport.

Aber pass auf: Man kann es schnell übertreiben und seinen Hund hochtrainieren, bis er sein tägliches Bewegungsprogramm einfordert und ungenießbar wird, wenn Du mal krank bist.

Beschäftigung soll Stress reduzieren

Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Beschäftigung soll dem Hund langfristig helfen zu entspannen und ihn nicht aufkratzen und für zusätzlichen Stress sorgen!

Gerade impulsive und reaktive Hunde haben im Alltag schon reichlich Situationen, in denen sie sich über irgendetwas aufregen.

Und manchmal sind die Stressoren auch hausgemacht, weil man den Hund im Training oder Spiel sehr hochgedreht hat oder ihn auf ein Hundeevent oder einen spannenden Ausflug mitgenommen hat.

Speziell während und nach aufregenden Erlebnissen sollte man aufgekratzten Hunden eine Gelegenheit zur „mentalen Dekompression“ bieten, um sie wieder runter zu fahren.

Die Klassiker sind Kausnacks und Futterspielzeuge, bei denen der Hund lange zu arbeiten hat. Das wirkt auf viele Hunde beruhigend.

Möglich sind aber auch Kuscheln, ein langsamer Schnüffelspaziergang oder einfach nur mit dem Hund da sitzen und in die Landschaft gucken. Es richtet sich nach dem individuellen Hund, was ihm beim entspannen hilft.

Bei dauerhaft angespannten Hunden braucht es nicht immer Überraschungen und neue Erlebnisse.

Hier können berechenbare Rituale und Abläufe dem Hund Sicherheit geben. Man kann also z.B. immer nach dem Heimkommen ein Futterspiel anbieten, um dem Hund den Übergang in die Ruhephase zu erleichtern.

Beschäftigung soll den Geist anregen

Über das Maß hündischer Intelligenz wird viel gestritten. Unsere Hunde lesen keine Bücher, denken keine philosophischen Gedanken oder folgen dem Kulturprogramm im Radio.

Hunde sind aber definitiv in der Lage bestimmte Probleme zu erfassen und sie zu lösen. Jeder kennt die Videos von Hunden, die sich ihr Hundebett selbstständig in den nächsten Sonnenfleck ziehen, sich bei großer Kälte selbst zudecken oder Hindernisse umgehen.

Die Trainierbarkeit ist ein Faktor, in dem sich Hunderassen unterscheiden. Und auch der Willen und  die Fähigkeit Problemlösungsstrategien zu entwickeln, hängt sicher vom Hundetypus ab.

Eine interessante kleine Studie aus Schweden kam 2014 zu dem Schluss, dass Hunde es bevorzugen für ihre Belohnung zu arbeiten bzw. die Kontrolle darüber zu haben, ob sie eine Belohnung bekommen. Es scheint nicht nur der Anreiz einer Belohnung selbst zu sein, der Hunde fröhlich macht (Quellen: McGowan et. al. 2014).

Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass regelmäßige Beschäftigung und mentale Stimulation das Auftreten von demenzartigen Symptomen im Alter verzögern und verlangsamen kann.

Mehr dazu und über Beschäftigungsideen für Hundesenioren habe ich im Beitrag über Demenz beim Hund geschrieben.

Damit der Hund seine kognitiven Ressourcen nutzt, müssen wir ihm kleine Challenges anbieten.

Das können Intelligenzspielzeuge oder Such- und Versteckspiele sein. Die wohl naheliegendste Option zum Gedächtnistraining bietet Hundetraining mit Methoden und Trainingssituationen, die dem Hund den Freiraum lassen mitzudenken und seine Handlungsmöglichkeiten frei zu wählen.

Beschäftigung für (hyper)aktive Hunde und Arbeitshunde

Dieser Abschnitt liegt mir besonders am Herzen, weil es hier so viele missverstandene Hunde gibt.

Bei vielen Arbeitshunderassen wurde züchterisch nicht nur eine besondere Begabung für eine bestimmte Tätigkeit (Hüten, Jagen, Apportieren,…) gefestigt, sondern auch der unbedingte Wille jederzeit und unter allen Umständen arbeiten zu können und zu wollen.

Der Charakter vieler Arbeitshunde bringt mit sich, dass ihre Vertreter ein bißchen den Hang zur Vergnügungssucht haben. Keine Action scheint zu reichen, der Hund will immer mehr und mehr.

Das ist natürlich für einen Gebrauchshund auch so gewollt, dass er kein Maß kennt und zur Überschätzung der eigenen Grenzen neigt. Man will ja ein einsatzfähiges Arbeitsgerät. Was nützt auch ein Wach- oder Hütehund, der sagt „ne, mach mal selber, ich hab heute keine Lust“.

Und diese unbedingte Arbeitsbereitschaft und Erregbarkeit führt oft zu dem Missverständnis, dass es gut und richtig für all diese Hunde wäre ihnen einen Full-Time-Job zu geben.

Und das führt wiederum dazu, dass man von Rassekennern schon vor der Anschaffung gesagt bekommt, dass diese Hunde pausenlos beschäftigt werden müssen, um glücklich zu sein.

Als Halter eines solchen Hundes kriegt man ständig wohlmeinende Sprüche ab: „Oh, ein [beliebige Jagd- oder Hütehunderasse hier einsetzen], mit dem müssen sie aber viel machen!“.

Dann fängt man natürlich an zu grübeln, man ist ja gewarnt worden und will alles richtig machen: „Braucht mein Hund mehr Auslastung?

Und schon nimmt das Unglück seinen Lauf: Viele Terrier und Hütehunde werden beschäftigt, bis sprichwörtlich der Arzt kommt.

Vom Welpenalter an werden jeden Tag mehrstündige Spaziergänge unternommen, man wirft stundenlang Bällchen, rennt zum Hundeplatz, kauft ein Laufband für den Hund, fährt Rad und daheim gibt’s erstmal noch Tricktraining und einen Haufen Spielzeug. Alles, damit der Hund halbwegs bei Laune bleibt.

Es wird ein Zweithund zum Spielen gekauft, Unarten als Rasseeigenschaft schön geredet (Aussies bellen halt, Border Collies hüten halt, Malis beißen halt) und man ist stolz auf seinen sportlichen Hund.

Je frenetischer der Hund wird, desto mehr wird mit ihm gemacht.

Oft wird ausgelastet mit müde gleichgesetzt. Manche denken, wenn ihr Hund abends eeeendich vor Müdigkeit zusammenbricht, hätten sie einen guten Job gemacht.

ausgelastet ≠ erschöpft

In Wahrheit züchtet man sich einfach nur einen aufgemuskelten frenetischen überstimulierten Balljunkie heran, dass schnell mehr fordert als wir geben können.

Leider habe ich in letzter Zeit in den sozialen Medien von alarmierend vielen Border Collies gelesen, die aus diesen hausgemachten Gründen schon im Junghundealter eine „Hyperaktivität“ attestiert und Psychopharmaka verschrieben bekommen. Aua.

Damit wir kein Missverständnis haben: Auch wenn ich die Meinung vertrete, dass weniger oft mehr ist, ist dieser Beitrag kein Plädoyer dafür nix mit dem Hund zu machen, weil er sich aufregen könnte. Arbeitshunde haben definitv gehobene Ansprüche, die wir befriedigen müssen. Nur eben angemessen.

  • Ja, Arbeitshunde brauchen mentale Stimulation, um glücklich zu sein.
  • Ja, (nicht nur) Arbeitshunde brauchen Bewegung, um zufrieden zu sein.
  • Ja, Arbeitshunde haben ein Problem damit sich zu entspannen.

Für diese Hunde sind mental fordernde Beschäftigungen wie Trainings-, Such- und Futterspiele viel mehr wert als einfach nur „Action“.

„Trieb macht dumm“! Mir machen Hütehunde auch Spaß, aber man muss nicht alles machen, nur weil der Hund gern würde.

Wurfspiele als einziges Programm sind so ziemlich die hirnloseste aller Beschäftigungen für solche Hunde und werden ihrer Intelligenz und Leistungsfähigkeit nicht gerecht.

(Und bitte, einen völlig aufgedrehten Hund einen Laserpointer jagen zu lassen bis er vor Frust kreischt ist nicht lustig, sondern tierschutzrelevant.)

Und oft wird vergessen darüber nachzudenken, wie man diesen Hunden helfen könnte nach Spiel und Spaß wieder von dem „High“ runter zu kommen.

Eins der ersten Trainingsziele mit einem hyperaktiven Hund ist die Fähigkeit entspannen zu können.

Denksport, bei denen nicht der Körper, sondern das Gehirn bewegt wird, machen müder als jedes  Rennspiel.

Auch harte Kauartikel und Futterbälle, an denen der Hund nuckeln kann, sind fordernd und gleichzeitig beruhigend.

Oder sei es mit der Begrenzung von Möglichkeiten zur Eigenbespaßung. Gerade viele Welpen behaupten sie seien sowas von nicht müde, fallen aber nach kurzer Zornanfall Zeit schlafend um, wenn man sie neben sich in eine große Faltbox setzt.

Feste Rituale, klare Abläufe und beruhigende Beschäftigungsmöglichkeiten helfen einem überdrehten Hund zu relaxen. Diese Hunde muss man aber in der Tat oft erstmal zu der Einsicht zwingen, dass sie auch mal ein bisschen Langeweile aushalten können.

Wie viel Beschäftigung ist angemessen?

Das lässt sich nicht allgemeingültig beantworten.

Das Mitlaufen im normalen menschlichen Alltag ist oft schon sehr anstrengend und erlebnisreich.  Du hast bestimmt auch schon erlebt, dass Dein Hund nach einem Ausflug (Busfahrt, Speiselokal, etc.), bei dem er gar nichts machen musste außer mitzockeln und brav sein, fix und fertig war.

Beschäftigung sollte spannungslösend und entspannend wirken.

Stell Dir zuerst die Frage: Was fehlt dem Hund im normalen Alltag? Was könnte seine Tage bereichern? Mehr Schlaf? Mehr Zeit im Grünen? Bewegung? Entspannung? Denksport?

Danach richtet sich, welche Art der Beschäftigung für deinen Hund angemessen ist und wie viel er davon braucht.

Junge Hunde brauchen in der Regel mehr Input als alte Hunde. Bequeme Hunderassen und Hundetypen sind mit weniger zufrieden als Hunde aus Leistungszucht.

Im Zweifelsfall gilt: Weniger ist mehr! Denkaufgaben und ruhige Beschäftigung mit neuen Objekten, Gerüchen und Aufgaben sind besser als ständige Action.

Und eine regelmäßige Beschäftigung ist besser als ein übervolles Programm nur am Wochenende.

Ich halte 2 bis maximal 4 Stunden tägliches Programm für angemessen.

Dabei sind Futterzeiten, Training, Körperpflege, Kuscheln und Spaziergänge eingerechnet. Sportliche Hunde sollten lieber intensiver statt länger beschäftigt werden, so bleibt ausreichend Zeit für Schlafenszeit (und das eigene Leben).

Eine gute Faustregel ist es neben den großen und kleinen Spaziergängen an wechselnden Orten 1-2 Beschäftigungsoptionen täglich zu anzubieten, z.B. ein Futterspielzeug oder was zum Knabbern nach dem Spaziergang. Ein paar Kekse in den Futterteppich streuseln bereitet keine Mühe.

Neues Hundespielzeug bastelt und kauft man eh ungeplant regelmäßig, weil einem das ja selbst Spaß macht dem Hund was zu gönnen.

Intensive und junge Hunde erhalten täglich mindestens eine Trainingseinheit von 5-20 Minuten mit neuen Trainingszielen und Aufgaben. Ältere und gechillte Hunde dürfen ab und an das Best-of ihrer Lieblingstricks gegen Bezahlung vorturnen, weil sie das fröhlich macht.

Kuscheln und Körperpflege gibt’s nach Bedarf. Bei Regen und an heißen Sommertagen wird einfach mal nur auf der Couch gepennt.

Man sollte auf sein Bauchgefühl hören und sich ein paar Fragen beantworten, bevor man den Hund wahllos mit zu vielen Freizeitoptionen überschüttet.

Gedanken zur Beschäftigung von Welpen und Junghunden

Die Aufzucht von Welpen und pubertäre Hunde kann brutal anstrengend sein, ich weiß.

Junge Hunde sprühen vor Energie und bekommen eh reichlich Spielzeug und Knabbereien, damit sie sich auch mal selbst beschäftigen können.

Man darf aber auch nicht vergessen, dass so ein Welpenleben ohnehin schon verdammt aufregend ist. Im wachen Zustand wird immerzu beobachtet und gelernt, ob wir das so planen oder nicht.

Zusätzliche Beschäftigung und Hobbies sind da gar nicht notwendig.

Man macht ohnehin schon so viel mit Welpen: Bindungsaufbau, Sozialierungsausflüge, maßlos überbewertete Welpenspielgruppen, Training an Stubenreinheit und Manieren, …

Und man sollte nicht vergessen, dass man jetzt die Weichen legt und an Ritualen arbeitet für das spätere Leben des Hundes.

Junge Hunde müssen vor jedem Hobby erstmal eins lernen: Relaxen!

Wenn der Hund jetzt nicht mit unserer Hilfe lernt von allein zur Ruhe zu finden nach Aufregung, kann das problematisch werden.

Das ist auch der Grund, warum  das Gerücht von der „Bewegungsregel“ immer noch unter Hundeleuten dogmatisch verbreitet wird.

Junge Hunde dürften angeblich nur 5 Minuten pro Lebensmonat spazieren gehen, sonst droht… ja, was eigentlich? HD? Psychose? Der Weltuntergang?

Es gibt keinerlei Faktenhintergrund dazu, wie viele Minuten Spaziergang mit einem Welpen zu viel oder zu wenig sind. Oder welche Folgen Abweichungen in beide Richtungen haben können.

Die gute Intention dahinter ist klar: Man soll es nicht übertreiben.

Aber so ganz wörtlich muss man sich nicht an solche Weisheiten halten.

Denn zu wenig Stimulation ist vermutlich genau so doof wie zu viel.

Zusammenfassung

Ob und welche Beschäftigung für Deinen Hund angemessen ist, kannst nur Du entscheiden.

Entscheidend sind Faktoren wie Hundealter, Charakter, Hunderasse und Lebensstil.

Weniger ist im Zweifelsfall mehr. Denn viele Hunde, die unausgelastet wirken, sind in Wahrheit überstimuliert und unausgeglichen.

Mehrere Spaziergänge täglich von 1-3 Stunden Gesamtzeit und ein paar kleine zusätzliche Angebote in Form von kurzen Trainingseinheiten, sozialer Interaktion und Futterspielen sind für die meisten Hunde genau richtig.

Achte darauf, wie Dein Hund auf Veränderungen in seinem Tagesablauf reagiert. Ist er insgesamt fröhlicher oder machst Du ihm damit künstlich Stress?

Wenn Dein Hund glücklich und zufrieden wirkt, musst Du auch nix ändern. Es sind ohnehin die kleinen Freuden hier und da, die den Alltag abwechslungsreich gestalten.

Und die meisten Hunde sind mit ihrem normalen Leben, Spaziergängen, kleinen Aufmerksamkeiten zwischendurch und der Gelegenheit an Orten ihrer Wahl mal ausgiebig schnüffeln zu dürfen, schon ziemlich gut ausgelastet.

Beschäftigung und Auslastung sollen dem Hund Möglichkeiten zum ausleben seiner Bedürfnisse bieten und ihn nicht nur sinnlos zu Aktivität animieren.

Das trägt zu einem entspannten gemeinsamen Alltag bei.

Links

[1] Positive affect and learning: exploring the „Eureka Effect“ in dogs; McGowan RT, Rehn T, Norling Y & Keeling LJ; Animal cognition, 17 (3), 577-87 (2014)

[2] Dog owners are more likely to meet physical activity guidelines than people without a dog: An investigation of the association between dog ownership and physical activity levels in a UK community; Carri Westgarth, Robert M. Christley, Christopher Jewell, Alexander J. German, Lynne M. Boddy & Hayley E. Christian ; Scientific Reports 9, Article number: 5704 (2019)