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Du kennst das bestimmt aus Eurem Alltag:
Dein Hund hüpft wie ein Flummi im Flur rum, wenn Du Dich zum Spaziergang vorbereitest?
Er führt sich noch verrückter auf, wenn es an der Haustür klingelt?
Und wenn Du ein Bad für ihn vorbereitest, geht er schon mal vorsorglich in Deckung?
Der Grund? Klassische Konditionierung!
Die Details dieser Lerntheorie kennen die meisten Hundehalter vor allem aus dem Beispiel mit Pawlows Hunden, die lernten auf einen Glockenton hin zu speicheln.
Aber nur die wenigsten verstehen so wirklich, was Pawlows Hunde mit ihrem eigenen Alltag und mit ihrem eigenen Hund zu tun haben.
Dabei lassen sich recht viele gerade der emotional aufgeladenen Verhaltensweisen bei unseren Hunden relativ leicht mit diesem oft ignorierten oder missverstandenen Lernmechanismus erklären.
Klassische Konditionierung ist ein einfacher Lernmechanismus, aber ein komplexes Thema. Deshalb hier in aller Ruhe und Ausführlichkeit ein Blick ins Detail.
Was ist klassische Konditionierung?
Fangen wir von vorne an:
Dein Hund reagiert körperlich genau wie Du ganz unbewusst und unfreiwillig auf manche Situationen oder Ereignisse in seinem Alltag.
Ob er will oder nicht: Er muss niesen und blinzeln, er freut sich über Futter oder er erschreckt sich vor einem Wespenstich.
Wenn das Hundehirn gelernt hat, welche Ereignisse solche für den Hund bedeutsamen Dinge wie Futter oder Schreckmomente zuverlässig ankündigen können, lässt es den Hund mit der entsprechenden Körperreaktion schon mal vorgreifen.
Klassische Konditionierung vermeidet Überraschungen.
Die klassische Konditionierung ist ein Lernmechanismus, bei dem eine unwillkürliche Körperreaktion nach einer Trainingsphase auch von einem vorher neutralen Reiz ausgelöst werden kann.
Beispiele gefällig?
Dein Hund lernt auf die Türklingel hin zu bellen, sich über das Anziehen der Gassiklamotten zu freuen oder mit Panik auf Bienengesumm zu reagieren.
All diese Situationen haben keine angeborene Bedeutung für den Hund. Es handelt sich um neutrale Reize.
Das Verhalten wurde auch nie belohnt oder absichtlich hervorgerufen.
Aber durch eine Paarung von neutralen Reize mit relevanten Ereignissen tritt ein Lerneffekt ein:
- Denn schon das eigentlich harmlose Klingeln zeigt ziemlich zuverlässig an, dass gleich die Haustür geöffnet wird und Eindringlinge im Anmarsch sind.
- Die Gassiklamotten haben die erlernte Bedeutung bekommen, dass ihr bestimmt kurz davor seid endlich zum Spaziergang aufzubrechen.
- Und ein Wespenstich allein kann schon so viel Eindruck machen, dass das Gehirn fortan fest daran glaubt, dass alle Wespen unmittelbar zu schmerzhaften Erlebnissen führen können.
Bei der klassischen Konditionierung bekommen neutrale Reize eine erlernte Bedeutung, wenn sie zuverlässig das Eintreten von Ereignissen ankündigen, die eine unwillkürliche körperliche Reaktion beim Hund auslösen.
Es geht dabei nicht um Konsequenzen für bestimmte Handlungen.
Also nicht um Belohnung oder Bestrafung.
Es geht nur darum, welches Ereignis welches andere Ereignis voraussagen kann.
Du kennst das am eigenen Leib:
Du wirst von Angstgefühlen durchströmt, wenn eine Wespe auf Dir landet.
Du meidest den Keller, weil da -Igitt- Spinnen sein könnten.
Du bist erleichtert und erfreut, wenn endlich der Pizzabote an der Tür klingelt.
Niemand hat Dich dafür belohnt Angst oder Freude zu empfinden (das ist auch gar nicht möglich).
Du empfindest diese Gefühle, weil Dein Gehirn durch Lernerfahrungen damit rechnet gleich mit einem bestimmten Ereignis konfrontiert zu werden.
Aber nicht nur Gefühle können konditioniert werden.
Das wohl bekannteste Beispiel für den Lernmechanismus der klassischen Konditionierung kennt jeder vom Entdecker der klassischen Konditionierung, dem russischen Physiologen und Mediziner Iwan Pawlow und seinen Hunden.
Pawlows Experiment
Jeder kennt die Geschichte:
Pawlow forschte an physiologischen Vorgängen der Verdauung (un erhielt für seine Forschungsarbeit 1904 den Nobelpreis für Physiologie).
Für seine Forschungen nutzte er als Versuchsobjekte Hunde. Er beobachtete durch den Einbau von chirurgischen Implantaten (urgs!) von außen die Bildung von Magensäften oder die abgesonderte Speichelmenge bei der Fütterung.
Eines Tages fiel ihm auf, dass die Versuchshunde nicht erst bei der tatsächlichen Fütterung anfingen zu speicheln und Magensäfte zu produzieren.
Sie speichelten schon während der Versuchsvorbereitung.
Die Hunde hatten offensichtlich nach einigen Versuchsdurchgängen gelernt, dass bestimmte Anzeichen (z.B. das Klappern der Näpfe im Nebenraum) zuverlässig die Fütterung ankündigten.
Als Reaktion warteten die Hunde mit der Speichelproduktion nicht mehr bis zur eigentlichen Futtergabe. Ihr Körper reagierte offensichtlich schon auf diese erlernten Zeichen.
Um seine Beobachtung zu prüfen, baute Pawlow eine spezielle Versuchskammer und versuchte erfolgreich auch auf andere Reize hin das Speicheln auszulösen.
Dabei machte er die Entdeckung, von der so ziemlich jeder Hundemensch schon mal gehört hat:
Pawlows Hunde lernten nach einigen Wiederholungen, dass das Läuten einer Glocke ihr Futter ankündigte. Nachdem die Assoziation hergestellt war, speichelten die Hunde also auch, wenn sie nur den Glockenton hörten.
Alle Erkenntnisse über die klassische Konditionierung verdanken wir Ivan Pawlows Pionierarbeit.
Was passiert bei der klassischen Konditionierung?
Es geht bei der klassischen Konditionierung also nicht um das Erlernen neuer Verhaltensweisen.
Es geht ausschließlich um das Erlernen eines neuen Auslösers für eine schon vorhandene Körperreaktionen, über die der Hund keine willentliche Kontrolle hat!
Wie bei jedem komplexen Thema gibt es auch bei der klassischen Konditionierung spezielle Fachbegriffe.
Deshalb jetzt zur offiziellen Definition am Beispiel von Pawlows Hunden:
1. Ein neutraler Reiz löst eine neutrale Reaktion aus.
Glockentöne, Worte oder Gegenstände haben ohne Lernerfahrung keine Bedeutung. Sie werden als neutral wahrgenommen.
Neutraler Reiz → Neutrale Reaktion
Glocke == Gleichgültigkeit
2. Ein unbedingter Reiz löst eine angeborene unbedingte Reaktion aus.
Die Reaktion auf diese Reize erfolgt unfreiwillig. Der Hund kann sich nicht aussuchen, ob er reagieren möchte.
Unbedingter Reiz → Unbedingte Reaktion
Futter == Speicheln, Freude
3. Während der Lernphase wird der neutrale Reiz mit dem unbedingten Reiz assoziiert.
Wenn das Gehirn durch zeitliche Paarung von Ereignissen unbewusst ein Muster erkennt, merkt es sich diesen Zusammenhang.
Neutraler Reiz → Unbedingter Reiz → Unbedingte Reaktion
Glocke == Futter == Speicheln, Freude
4. Nach der Lernphase löst der nun konditionierte bedingte Reiz eine bedingte Reaktion aus.
Der neutrale Reiz ist nun nicht mehr neutral, sondern kündigt das Eintreten des unbedingten Reizes an. Der Hund reagiert jetzt auch auf den bedingten Reiz, wenn der unbedingte Reiz mal ausbleibt.
Bedingter Reiz → Bedingte Reaktion
Glocke == Speicheln, Freude
Man kann klassische Konditionierung also so formulieren:
Klassische Konditionierung bereitet den Hund auf gleich eintretende Ereignisse vor.
Ein ehemals bedeutungsloser neutraler Reiz kann durch Lernen mit einem unbedingten Reiz assoziiert werden, der seinerseits zuverlässig eine unbedingte Reaktion beim Hund auslöst.
Der neutrale Reiz wird so zum konditionierten bedingten Reiz, der fortan zu einer bedingten Reaktion führt.
Die bedingte Reaktion ist dabei eine Art Vorbereitung auf das erwartete Eintreffen des unbedingten Reizes.
Welches Verhalten kann man durch einen konditionierten Reiz auslösen?
Bei der klassischen Konditionierung kannst Du nur Reaktionen mit einem neuen Signal verknüpfen, die schon angeboren vorhanden sind.
Ich wiederhole nochmal:
Die Reize, die unbewusst eine solche körperliche Reaktion beim Hund auslösen können, werden als unbedingte Reize bezeichnet.
Die Reaktion auf diese Reize ist eine unbedingte Reaktion.
Denn diese Reize und Reaktionen sind nicht an Bedingungen geknüpft:
Die Reaktion auf diese Auslösereize hin ist nicht erlernt und wird auch ungeachtet von Konsequenzen immer gezeigt.
Hierzu gehören also nicht die Verhaltensweisen, die Du Deinem Hund erst beibringen musst wie Sitz, Platz, Komm, Fußarbeit, Apport oder andere Kunststücke.
Bei der klassischen Konditionierung wird kein neues Verhalten beigebracht.
Es werden nur unwillkürliche körperliche Reaktionen mit neuen Auslösereizen verknüpft.
Zu solchen angeborenen Paaren aus unbedingtem Reiz und unbedingter Reaktion, die Du Deinem Hund nicht erst beibringen musstest und die Du ihm kaum irgendwie abgewöhnen könntest, gehören folgende Reiz-Reaktionsmuster:
- Physiologische Reaktionen: Dein Hund speichelt als Reaktion auf Futter. Dein Hund empfindet Harndrang, wenn die Blase voll ist. Dein Hund reagiert auf Hektik und Überforderung mit Stress und Erregung.
- Reflexe und Bewegungen: Dein Hund blinzelt, wenn Du ihm ins Auge pustest oder ihn anleuchtest. Dein Hund schüttelt sich, wenn er nass wird. Dein Hund reißt das Bein hoch, wenn ihn plötzlich etwas an der Pfote berührt.
- Emotionen: Dein Hund freut sich über Futter. Dein Hund sorgt sich vor lauten Geräuschen. Dein Rüde hasst den Nachbarsrüden. Dein Hund mag Belohnungen. Dein Hund fürchtet Strafen.
All diese Reiz-Reaktions-Abläufe sind angeboren und gehen auf neurologischer Ebene an bewussten Denkprozessen vorbei.
Es handelt sich quasi um Abkürzungen im Entscheidungsprozess.
Das ist vor allem bei bedrohlichen Umwelteinflüssen sehr nützlich, denn eine prompte Reaktion kann lebensrettend sein.
Vor allem konditionierte emotionale Reaktionen kann man täglich an seinem Hund beobachten.
Nehmen wir an Dein Hund hat gelernt hat auf einen bestimmten Trigger wie die Türklingel mit großer Erregung zu reagieren.
Hier wurde nicht das für uns beobachtbare Verhalten wie Bellen und Hin- und Hergerenne konditioniert, sondern vor allem die innere Gefühlslage und Aufregung.
Und ein aufgeregter Hund bellt eben und benimmt sich ungehalten.
Aber er reagiert nicht absichtlich so:
- Dein Hund hat keine Kontrolle darüber, welche Emotionen er gegenüber Eindringlingen empfindet.
- Er hat also auch keine Kontrolle darüber, welche Emotionen der konditionierte Reiz „Türklingel“ in ihm auslöst.
Wenn Dein Hund also wild auf die Türklingel reagiert, dann greift er damit schlichtweg seiner ohnehin unvermeidbaren körperlichen Reaktion auf eine für ihn gleich anstehende stressige Situation vor.
Kein Lob und keine Strafe könnten die faktisch ja oft richtige Erwartungshaltung “Türklingel = Eindringling“ ändern.
Du kannst jetzt zwar durch Lob und Tadel am ausgelösten Verhalten rumdoktern. Dein Hund kann lernen nicht mehr bis zur Tür zu rennen, sondern trotz der großen Anspannung in seinem Korb zu bleiben.
Ob der Hund auf die Türklingel reagiert, kannst Du damit aber nicht ändern.
Man kann so eine erlernte Verknüpfung nur aufbrechen, indem man die erlernte Assoziation im Hundegehirn darüber, was gleich passieren wird, in neue Bahnen lenkt.
Eine klassische Konditionierung wirst Du auch nur mit klassischer Konditionierung wieder los!
In anderen Worten: Man paart die Türklingel mit positiven Erlebnissen, die aufs Gehirn mehr Eindruck machen als die bisherige Lernerfahrung.
Nicht jede körperliche Reaktion wird gleich schnell und effektiv verknüpft.
Über den Daumen gilt:
Je heftiger die Reaktion auf einen unbedingten Reiz ist, desto nachhaltiger und stärker wird dieser Reiz mit einem neuen Ankündigungssignal geknüpft.
- Die Verknüpfung von reinen Körperreflexen wie Speicheln oder Blinzeln ist insgesamt oft schwach und wird schnell wieder entkoppelt, wenn keine weiteren Trainingswiederholungen erfolgen.
- Die Verknüpfung von emotional aufgeladenen Reaktionen passiert deutlich leichter.
- Die Verknüpfung insbesondere von negativen Stimmungen, Gefühlen und Emotionen mit bestimmten Ereignissen ist oft besonders nachhaltig.
Ein ganz wichtiger Faktor dabei:
Nicht alle Hunde reagieren gleich auf ihre Umwelt
Verschiedene Lebensstile und Lernerfahrungen formen die individuelle Reaktion eines Hundes auf bestimmte Reize.
Wenn Dein Hund zum Beispiel in letzter Zeit von einem Fremdhund bedrängt oder gar gebissen wurde, fährt er vermutlich für eine Weile schon bei Sichtkontakt zu anderen Hunden aus der Haut. Obwohl ihm das vorher egal war.
Auch an Dir geht so ein Erlebnis nicht spurlos vorüber. Bei der nächsten Hundebegegnung erschreckst Du Dich und gibst Deinem Hund unabsichtlich einen Leinenruck. Dein Hund erschrickt sich ebenfalls und verknüpft dieses Erlebnis mit der Hundebegegnung.
Und schon seit ihr am Beginn eines Teufelskreises. Dein Hund rechnet immer fester mit einem schlechten Erlebnis bei Hundesichtungen. Und Du musst immer heftiger werden, um Deinen Hund halten zu können.
Fortan wird er bei jedem Hundekontakt aus der Haut fahren. Und auch bei Dir führen Hundebegegnungen nun zu einer Stressreaktion.
Diese erlernte Reaktion auf andere Hunde kann nun zu weiteren Konditionierungen führen, die vor der Lernerfahrung unmöglich gewesen wären.
Es beginnt sich gut anzufühlen, wenn ihr belebte Gassistrecken meidet. Ihr habt beim ganzen Spaziergang ein mulmiges Gefühl. Du bekommst schon Panik und Kontrollverlustängste beim Gedanken daran deinen Hund jemals wieder abzuleinen.
Das ist nur ein radikales Beispiel dafür wie Konditionierungen sich gegenseitig beeinflussen. Kein Hund ist ein unbeschriebenes Blatt.
Die Handlungsmotivation kann sich auch situationsabhängig ändern.
Ein hungriger Hund wird sich effektiver merken, welche Zeichen auf die baldige Fütterung hindeuten.
Und ein einsam wartender Hund wird schneller lernen das Geräusch bekannter Autos mit der unbändigen Freude über die Rückkehr seiner Familie zu verknüpfen.
Diese individuellen Unterschiede zwischen Hunden können angeboren sein.
Hütehunde sind leicht empfänglich für viele Bewegungsreize, Labradore reagieren hochemotional auf Futter, Terrier gehen bei Wildsichtungen an die Decke und Herdenschutzhunde reagieren empfindlich auf Eindringlinge in ihrem Territorium.
Hunde mit speziellen Leidenschaften merken sich ganz schnell jede Ankündigung für ihre jeweilige Passion.
Auch Geräuschphobien und eine gewisse Schreckhaftigkeit können bereits angeboren sein.
Ruhige genügsame Hunde reagieren weniger impulsiv auf diese Situationen.
Wo gar keine emotionale Reaktion auf einen Reiz hin erfolgt, kann man diesen Reiz eben auch nicht mit einem neutralen Reiz verknüpfen.
Umgekehrt bieten „große Emotionen“ reichlich Substrat für Assoziationslernen im Alltag.
Single Event Learning
Vor allem bei traumatischen Erlebnissen kann es zum so genannten „single-event-learning“ kommen. Sich nicht unnötig in absehbare Gefahren zu begeben, ist schließlich ein wirksamer Überlebensmechanismus (Seligman 1971).
Potentiell bedrohliche Situationen werden deshalb oft schon bei einmaliger Lernerfahrung mit einer starken Angstreaktion verknüpft.
Je schlimmer das blöde Ereignis wahrgenommen wird, desto geneigter ist das Hundehirn nach Hinweisen zu suchen, mit denen man eine Wiederholung dieses Ereignis nächstes Mal tunlichst vermeiden kann.
Deshalb führt oft schon eine einzige unangenehme Hundebegegnung, ein einziger Bienenstich, ein unangenehmer Besuch zum Tierarzt, ein einmaliger Kontakt mit einem Weidezaun oder eine schmerzhafte Situation beim Krallen schneiden zu einem nachhaltigen Lerneffekt.
Oft wird eine sehr heftige Angst- und Meidereaktion ausgelöst.
Hier muss keine weitere Paarung mit dem tatsächlichen schlimmen Ereignis mehr erfolgen.
Das ist auch der Grund, warum Wespen und Bienen ihr markantes Streifenmuster tragen.
Schon ein unliebsamer Kontakt reicht, damit alle anderen Wespen und Bienen fortan fürs ganze Leben gemieden und in Ruhe lassen lernt. Das Streifenmuster wird zum konditionierten Reiz.
Es muss nur eine Wespe oder Biene tatsächlich stechen. Für alle anderen reicht es fortan zu signalisieren „Ich bin übrigens eine von denen, die Dir mal so weh getan haben„.
Ein derartig nachhaltig konditionierter Reiz löst eine so intensive Angstreaktion aus, dass diese durch Ignorieren kaum gelöscht werden kann.
Gleichzeitig wird das ausgelöste Flucht- und Meideverhalten durch operante Konditionierung zusätzlich verstärkt.
Der Hund vermeidet die Situation und überlebt. Das fühlt sich natürlich gut an und wird beibehalten.
So ein Kreislauf grenzt oft an Aberglauben, ist aber extrem selbstbelohnend. Sowas legt sich ohne Einwirkung von außen nicht mehr von alleine.
Wenn Dein Hund also eine Panikreaktion auf bestimmte Auslöser hin zeigt, dann braucht er Hilfe.
Welchen Nutzen hat klassische Konditionierung?
Das allseits bekannte Training durch Konsequenzen (die operante Konditionierung) ist dafür da neue Verhaltensweisen zu schaffen.
Immerzu neue Problemlösungsstrategien entwickeln zu können ist immens nützlich.
Die klassische Konditionierung hingegen leistet etwas anderes:
Klassische Konditionierung ermöglicht es dem Hundehirn die angemessene angeborene Körperreaktion für ein gleich eintretendes Ereignis auszuwählen und vorwegzunehmen.
- Ein ‚Click‘ sorgt dafür, dass der Körper in freudiger Erwartung auf Futter reagiert.
- Und die Türklingel versetzt den Hundekörper in den richtigen Erregungszustand, um sein Revier zeitnah zu verteidigen.
Klassische Konditionierung ist ein sehr alter Lernmechanismus, der das Leben berechenbarer machen soll.
In unserer Gesellschaft kommt der Hund natürlich oft in Kontakt mit denkbar unnatürliche Situationen und Ereignis-Abfolgen.
Das führt dann zu so genannten „Fehlverknüpfungen“.
In freier Wildbahn klingelt kein Besucher an der Tür und wird freundlich herein gebeten. Es zieht kein Frauchen die Leine stramm, weil sie sich selbst vor einem anderen Hund erschrocken hat. Und es schleift einen keiner in Situationen, die einen ängstigen.
Klassische Konditionierung passiert nie freiwillig
Wenn die richtigen Bedingungen erfüllt sind, kann der Hund sich nicht gegen den Lerneffekt wehren.
Es bedarf keiner Verhaltensänderung. Es bedarf keiner Mitarbeit. Klassische Konditionierung geschieht passiv!
Und auch über seine bedingte Reaktion auf einen konditionierten Reiz hat der Hund keine Macht.
Das ist einer der weiteren großen Unterschiede zur allseits bekannten operanten Konditionierung:
Bei den operant erlernten Verhaltensweisen kann der Hund sich bei jedem Hörzeichen frei entscheiden, ob sich „Sitz“ und „Platz“ für ihn lohnen. Wir beeinflussen mit Lob und Tadel nur seine Motivationslage das eine oder andere zu tun.
Bei konditionierten Reizen der klassischen Konditionierung hingegen reagiert der Hund immer unbewusst und unfreiwillig.
Er kann gar nicht anders als sich aufzuregen, wenn es klingelt!
Er kann nicht anders als auszuflippen, wenn Du in Begegnungssituationen seine Leine jedes mal straff ziehst.
Und er kann nichts dagegen machen, dass er irrationale Ängste empfindet.
Funktioniert klassische Konditionierung beim Menschen?
Klassische Konditionierung funktioniert bei uns genauso gut wie beim Hund:
Auch wir lernen ungern zum Zahnarzt zu gehen oder emotional auf bestimmte Situationen, Gesichter, Klingeltöne oder in der Schulzeit auf die geliebte Pausenglocke zu reagieren.
Und weil das so hervorragend klappt, gibt es eine ganze Werbeindustrie, die sich damit beschäftigt, wie man die Auslöser positiver Stimmungslagen mit bestimmten Produkten verknüpft. Oder bereits konditionierte Schlagworte geschickt einsetzt.
Auch in der Psychotherapie und der Pädagogik wird klassische Konditionierung ganz bewusst angewendet, um Gefühlslagen zu beeinflussen.
Auch Du kannst Dich nicht dagegen wehren und merkst oft gar nicht mal, dass Du konditioniert wurdest.
Wenn Dein Hund ausrastet, wenn er einen anderen Hund sieht oder es an der Tür klingelt, dann hast Du bestimmt auch selbst schon gelernt mit Stress auf diese Auslöser zu reagieren.
Denn auch Dein Gehirn hat durch klassische Konditionierung gelernt vorherzusagen, dass gleich die Hölle losbricht.
Welche neutralen Reize sich gut konditionieren lassen
Wenn wir von einem Reiz sprechen, meinen wir so ziemlich alles, was der Hund wahrnehmen kann. Ein Reiz wird auch als Stimulus bezeichnet.
Reize können Geräusche, Gerüche, Gegenstände, Menschen, Wetter oder Hörzeichen sein. Auch deine Mischung aus verschiedenen Reizen kann als Ganzes konditioniert werden, z.B. Orte oder Situationen wie „beim Tierarzt“.
Denk mal an ein paar Beispiele aus Deinem Alltag:
Worauf reagiert Dein Hund hochemotional oder besonders aufgeregt?
Wenn Dein Hund auf einen der folgenden Reize reagiert, handelt es sich dabei um einen durch klassische Konditionierung erlernten konditionierten Reiz:
Beispiele für durch klassische Konditionierung erlernte Auslöser beim Hund
Es gibt viele Beispiele für ganz typische Verhaltensweisen bei unseren Hunden, die durch klassische Konditionierung von ehemals neutralen Reizen zustande kommen:
- Bellen auf die Türklingel hin
- Freudentänze schon beim Anziehen des Halsbands
- Freudige Erwartung auf ein Markerwort oder einen Click
- Meidende Reaktion auf das Hundegeschirr
- Speicheln bei Anblick des leeren Hundenapfs
- Erwartungsvolle Reaktionen auf Motorengeräusche von bekannten Autos
- Emotionale Reaktionen auf Worte („Balli“, „Kekse“, „Futter“, „Katze“, „Eichhörnchen“, „Hundename“)
- Leinenaggression beim Anblick fremder Hunde
- Konditionierte Entspannung beim Kuscheln
- Meidiges Verhalten gegenüber den Launen der Bezugsperson
- Panik vor Stechmücken, Bienen und Wespen
- Angst vor Blitzen, weil diese Donner ankündigen
- Stress beim Posieren für Fotos, weil sie hier mit überfordernden Anforderungen rechnen
- Angst vorm Tierarzt
- Angst vor Männern
- Angst vor anderen Hunden
- Meidende Reaktion auf „Nein“ und „Pfui“
Man weiß, dass nicht jeder neutrale Reiz gleich gut konditionierbar ist.
Verschiedene Phänomene können dafür sorgen, dass eher der eine oder eher der andere Reiz mit einem Ereignis verknüpft werden:
Salienz und Overshadowing
Als Overshadowing bezeichnet man das Phänomen, bei dem bei mehreren gemeinsam angebotenen Reizen eher der prominenteste Reiz konditioniert wird und die weniger prominenten Reize schwächer konditioniert werden.
Wenn Du einem Welpen beibringen willst auf seinen Namen zu reagieren, aber gleichzeitig zum Namen immer die Hände in die Luft reißt oder auf Deine Knie klopfst, wird der Hund nicht unbedingt mitkriegen, was Du da genau sagst.
Denn Deine auffälligen Bewegungen überlagern das weniger prominente neue Wort. Neue und auffällige Reize stechen in dem Wust an alltäglichen Wahrnehmungen ganz auffällig heraus. Blätterrascheln im Hintergrund, Gemurmel oder altbekannte Objekte werden nur am Rande wahrgenommen.
Welcher von vielen Reizen für das Hundehirn in einer Situation am auffälligsten ist, lässt sich in ungeplanten Situationen meist schwer vorhersagen. Deshalb auch hier die zu Recht immer wieder wiederholte Warnung vor dem Einsatz von heftigen Strafen und Erziehungshalsbändern beim Hund: Mal abgesehen vom ethischen Gesichtspunkt lernt der Hund eine Strafe eben nicht nur als Konsequenz für seine Handlung zu verstehen.
Jedes Lernen wird immer auch von klassischer Konditionierung begleitet . Und da kann niemand voraussagen, ob ein Hund ein als negativ erlebtes Ereignis mit dem Trainer, dem Trainingsort, dem Wetter oder einem halbwegs beliebigen Objekt verknüpft.
Salienz steuert, wohin wir unsere Aufmerksamkeit in einer ganz bestimmten Situation richten. Dabei richtet es sich nach der subjektiven Wahrnehmung und den individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten, was als wichtig erachtet wird.
Für Hunde ist die Geruchswahrnehmung viel wichtiger als für uns. Dafür sehen Hunde weniger scharf und nehmen weniger Farbkontraste wahr.
Beim Training stehen wir unseren Hunden oft im Weg : Jeder weiß, dass Hunde intuitiv fokussierter auf unsere Körpersprache und Mimik als auf unsere Worte achten. Oft schnappen sie die Bedeutung von kleinen Gesten auf, von denen wir nicht mal wissen, dass wir sie überhaupt machen.
Unsere Hunde lernen sehr leicht an unserer Körpersprache vorauszusagen, was sie von uns erwarten können. Ein weiteres Beispiel: Wenn wir den Clicker oder ein Markerwort nutzen, aber immer schon oder gleichzeitig zum Marker in die Leckerlitüte greifen, kriegt unser Hund von unserem Marker eigentlich nix mehr mit.
Zu salient überlagert schon der Gedanke an Kekse alle anderen Wahrnehmungen.
Biologische Preparedness
Es ist bekannt, dass es eine natürliche Tendenz dafür gibt Übelkeit eher mit aufgenommenem Futter und Schreck und Schmerzen eher mit äußeren Umständen zu assoziieren.
Diese Beobachtung wurde nach einem der Autoren der ursprünglichen Studie als“Garcia-Effekt“ benannt (Garcia& Koelling 1966). Abgeleitet daraus vermutet man, dass es eine Art biologische Prädisposition dafür gibt, welche neutralen Reize und welche Körperreaktionen besonders leicht miteinander assoziiert werden können und welche nicht.
Man spricht auch von selektiver Assoziation.
Von mehreren anwesenden Reizen wird also u.a. immer derjenige am ehesten verknüpft, der unterbewusst als „biologisch stimmig“ wahrgenommen wird. Auch wir sind bei Übelkeit sehr schnell überzeugt davon, dass uns von diesem oder jenem Lebensmittel schlecht geworden ist.
Und wir haben dabei vor allem ungewohnte Speisen im Verdacht, die wir sonst nicht essen. Man ist geneigter davon auszugehen, dass einem von einer Süßigkeit oder dem Essen im Restaurant schlecht geworden ist als vom gewohnten Brot oder Müsli.
Viele Menschen haben so ein durch klassische Konditionierung hervorgerufenes Ekelgefühl gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln, von denen ihnen irgendwann mal als Kind schlecht geworden ist.
Sensorische Präkonditionierung
Dein Hund kann auch neutrale Reize miteinander verknüpfen. Er kann wissen, dass Enten nur am Wasser leben. Er kann wissen, dass der Papiermüll unterm Schreibtisch steht. Er kann wissen, dass es nur neben einer Weide nach Pferdemist riecht.
Auch wenn alle diese Reize für sich genommen bedeutungslos für den Hund sind, lernt er dennoch bestimmte zusammengehörige Muster zu erkennen und merkt sich diese unbewusst. Man nennt das sensorische Präkonditionierung.
Das passiert nur im Gehirn, ganz ungesehen von außen. Bis etwas passiert .
Nehmen wir an Dein Hund weiß, dass in Eurem Garten viele Gänseblümchen wachsen. Garten wie auch Gänseblümchen bewertet er neutral. Beides löst keine spezifische Reaktion aus.
Wenn er nun an einem anderen Ort beim Schnuppern an einem Gänseblümchen von einer Wespe gestochen wird, kann er fortan plötzlich auch vor dem Garten Angst haben, obwohl ihm dort nie etwas passiert ist.
Er hat das Erlebnis nicht nur mit dem offensichtlichen Reiz „Gänseblümchen “ verknüpft, sondern auch mit anderen Reizen, die in seiner Weltwahrnehmung mit Gänseblümchen zusammen hängen.
Diese Zusammenhänge sind oft schwer nachvollziehbar. Es geht mir vor allem darum ein gewisses Verständnis dafür zu entwickeln, dass der Hund nicht unbedingt „einfach so spinnt“, wenn er sich plötzlich merkwürdig verhält.
Reizdiskrminierung und Reizgeneralisierung
Wenn der Hund gelernt hat auf einen konditionierten bedingten Reiz zu reagieren, kann es zu einem weiteren Effekt kommen:
Reizdiskriminierung
Der Hund kann kernen sehr spezifisch nur auf einen ganz punktgenauen Reiz zu reagieren.
Er unterscheidet den erlernten Reiz von anderen Reizen.
- Er bellt nur bei Eurer Türklingel. Andere Türklingeln sind ihm egal.
- Er regt sich nur über den einen Nachbarshund auf, der ihn tatsächlich belästigt hat, mag andere Hunde aber weiterhin.
- Er reagiert nur auf seinen Namen positiv und nicht auf ähnliche Worte.
Im bewusst geplanten Training kann man hier nachhelfen. Wir wollen in der Regel, dass der Hund ganz bewusst nur auf die verabredeten Reize reagiert.
Wenn der Hund auf seinen Namen oder die Hundepfeife reagiert, passiert etwas Positives. Wenn er auf einen fremden Pfiff oder einen anderen Hundenamen reagiert, passiert nichts.
Reizgeneralisierung
Umgekehrt kann der Hund auch lernen seine Reaktion nach und nach auf alle möglichen ähnlichen Reize auszuweiten:
- Er bellt bei jedem Ton, der Eurer Türklingel auch nur entfernt ähnelt.
- Er reagiert auf alle Hunde gestresst, ob er nur mit einem ein blödes Erlebnis hatte.
- Er findet alle Hundenamen toll, die seinem halbwegs ähneln.
Je näher ein Reiz am ursprünglich erlernten Reiz ist, desto eher wird er eine Reaktion auslösen und desto stärker wird diese Reaktion der erlernten Reaktion ähneln.
Reizgeneralisierung passiert häufig durch eine Verkettung unglücklicher Umstände.
Das ist vor allem bei Hunden mit Ängsten oft problematisch.
Diese Hunde sind extrem sensibel für die allgegenwärtigen Gefahren im Alltag und suchen förmlich nach Dingen, die sie vermeiden wollen.
Aus einer Angst vor ganz bestimmten Geräuschen wird schnell eine allgemeine Geräuschsensibilität.
Und aus der Angst vor einem bestimmten Mann wird schnell eine allgemeine Panik vor Menschen im Allgemeinen.
Wenn Du merkst, dass dein Hund eine negative erlernte Reaktion auf weitere Anzeichen ausweitet, solltest Du deshalb unbedingt Hilfe suchen.
Die Lernphase der klassischen Konditionierung
Es müssen ein paar Voraussetzungen erfüllt sein, damit klassische Konditionierung funktionieren kann.
Außerdem beeinflussen ganz viele Faktoren, wie effektiv und vor allem wie nachhaltig so eine Verknüpfung erlernt wird.
Im Detail kann das schnell sehr komplex werden.
Man muss sich also gedanklich ein bisschen damit beschäftigen wollen und ein gewisses Interesse für die Materie ‚Hundetraining‘ mitbringen, um sich durch diese Details zu quälen.
Je mehr Verständnis Du für das Konzept hast, desto leichter wirst Du die Abläufe in Alltagssituationen plötzlich deutlich erkennen lernen.
Das erleichtert auch das Verständnis dafür, wie Du einen konditionierten Reiz erkennen und ihm wieder seine ungünstige erlernte Bedeutung nehmen kannst.
Denn darum geht es den meisten Fällen:
Wie entspanne ich meinen Hund in Situationen, die in scheinbar grundlos über alle Maßen hinaus aufregen?
Der Vorhersagewert des konditionierten Reizes
Eine klassische Konditionierung ist umso effektiver, je wahrscheinlicher der neutrale Reiz ein Ereignis ankündigen kann.
Und eine gute Vorhersagekraft ergibt sich vor allem aus zwei Faktoren: Timing und Exklusivität.
Timing des Reizzusammenhangs
Das Timing von neutralem Reiz und unbedingtem Reiz ist äußerst wichtig für den Lernzusammenhang.
1. Delayed conditioning
Der Lerneffekt ist am effektivsten, wenn der neutrale Reiz kurz vor dem unbedingten Reiz beginnt und bis zu diesem andauert.
Beispiele aus dem Hundealltag:
- Du spannst die Leine Deines Hundes straff und verkrampfst selbst, weil Euch gleich der verhasste Nachbarshund entgegen kommt. Dein Hund sieht den Nachbarshund nach Dir und fängt an sich aufzuregen. Die dauerstraffe Leine wird zur Ankündigung der verhassten Hundebegegnung.
- Du bereitest das Essen vor und bringst Deinem Hund seinen Futternapf. Deine Vorbereitungen werden zur Ankündigung für Futter.
2. Trace conditioning
Der unbedingte Reiz tritt erst eine Weile nach dem neutralen Reiz auf:
Beispiele aus dem Hundealltag:
- Dein geräuschsensibler Hund lernt Blitze zu fürchten, weil Blitze nach einigen Sekunden zu Donner führen.
- Dein Hund lernt hochfreudig auf den Click des Clickers zu reagieren, weil der Click eine zeitnah verabreichte Belohnung voraussagt.
- Dein Hund lernt auf die Türklingel zu reagieren, weil die Türklingel das unmittelbar folgende Eintreffen von Besuch ankündigt.
3. Simultaneous conditioning
Der unbedingte Reiz tritt gleichzeitig mit dem neutralen Reiz ein:
Beispiel aus dem Hundealltag:
- Du lobst, während Du den Hund bereits fütterst. Dein Hund findet zwar irgendwann heraus, dass Dein Lob mit dem Leckerli zusammenhängt, braucht aber lange dafür.
4. Backward conditioning
Klassische Konditionierung kann in Ausnahmefällen funktionieren, wenn der neutrale Reiz immer erst kurz nach dem unbedingten Reiz eintritt:
Beispiele aus dem Hundealltag:
- Du willst Deinem Hund pinkeln auf Hörzeichen beibringen. Da Du nicht genau ahnen kannst, wann er pinkeln wird, gibst Du Dein Zeichen immer erst, wenn der Hund eigentlich schon am pieseln ist. Wenn das überhaupt jemals klappt, braucht Dein Hunde enorm lange für die Assoziation zwischen Wort und Harndrang. Möglich ist es aber.
- Du strafst Deinen Hund und schreist dabei „Pfui, böser Hund“. Dein Hund wird nur schwerlich lernen, dass „Pfui“ in Zukunft Strafe ankündigen soll.
5. Temporal conditioning
Ein neutraler Reiz kann auch ein Zeitintervall sein.
Beispiel aus dem Hundealltag:
- Dein Hund scheint seine feste Fütterungszeit zu kennen. Obwohl scheinbar keine anderen Anzeichen auf eine Fütterung hindeuten, fängt er pünktlich vor der Fütterung an zu sabbern und unruhig zu werden.
Wie einzigartig ist der konditionierte Reiz mit dem Ereignis verknüpft?
Je zuverlässiger und wahrscheinlicher ein neutrale Reiz einen unbedingten Reiz vorhersagt desto effektiver die Konditionierung.
Wir nehmen immer nur die Leine vom Haken, bevor wir spazieren gehen. Sonst nie.
Wir packen immer nur die Trainingsutensilien ein, bevor wir zum Hundeplatz fahren. Sonst nie.
Wir ziehen beim Spaziergang immer nur dann schon vorsorglich die Leine straff, bevor unser Hund seinen Erzfeind bemerkt. Sonst nie.
Wenn der Hund unbewusst wahrnimmt, dass ein Ereignis exklusiv immer nur vor einem anderen Ereignis eintritt, führt das effektiv und schnell zu einer Assoziation.
Es geht also nicht nur darum, dass die beiden Reize irgendwann mal zeitlich gemeinsam vorgekommen sind.
Fast jedes Mal, wenn es an der Haustür klingelt steht da mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Eindringling!
- Würde die Türklingel erst klingeln, nachdem man die Tür schon geöffnet hat, wäre sie als Ankündigung ziemlich sinnlos.
- Und würde die Türklingel nur bei jedem dritten Besucher läuten, wäre sie als Ankündigung ziemlich unzuverlässig.
- Gleiches gilt, wenn die Türklingel auch mal ab und an klingeln würde, obwohl gar niemand vor der Tür steht.
Neutrale Reize, die manchmal gemeinsam mit dem unbedingten Reiz auftreten und manchmal nicht, haben einen ziemlich schlechten Vorhersagewert und werden nur schlecht konditioniert.
Andersrum können auch mehrere konditionierte Reize zur gleichen Reaktion führen, wenn sie getrennt voneinander erlernt wurden und beide für sich genommen eine Vorhersage erlauben.
Zum Beispiel kann Dein Hund lernen auf die Türklingel sowie auf ein Klopfen an der Haustür mit Aufregung zu reagieren.
Blocking-Effekt
Die klassische Konditionierung soll Unwägbarkeiten des Lebens etwas vorhersagbarer machen. Lernen kostet Energie. Die erlernte Information soll also einen Mehrwert bieten.
Man weiß, dass nicht beliebig viele neutrale Reize mit der gleichen körperlichen Reaktion verknüpft werden können. Konkurrieren mehrere neutrale Reize darum mit einer unbedingten Reaktion assoziiert zu werden, dann teilen sie sich die maximale Assoziationsstärke. Wenn ein Reiz sehr stark mit einer Körperreaktion verknüpft ist, werden weitere Reize zunehmend schwächer verknüpft.
Der Blocking-Effekt tritt ein, wenn man den neuen Reiz gemeinsam mit einem bereits konditionierten Reiz für die gleiche Reaktion präsentiert (Kamin 1969).
Wenn nun also jedes Mal gleichzeitig mit der Türklingel jemand klopft, würde auch der größte Türklingel-Rambo vermutlich nie lernen so richtig extrem allein auf das Klopfen zu reagieren. Das liegt daran, dass hier eine redundante Information präsentiert wird Ob ein neutraler Reiz überhaupt konditionierbar ist, hängt also auch vom Mehrwert des Lernvorgangs ab. Ohne neuen Informationsgehalt macht es keinen Sinn sich weitere Reize zu merken.
Latente Inhibition
Viele Reize hat der Hund in seinem Alltag schon tausendfach gesehen, gehört oder erlebt, ohne dass sie irgendeine für ihn relevante Bedeutung hatten. Diese Reize wurden schon vor langer Zeit als bedeutungslos abgespeichert. Sie haben schon einen erlernten Vorhersagewert: „Dieser Reiz ist egal, es wird nichts passieren“. Die wiederholte neutrale Darbietung eines Reizes in der Vergangenheit führt zu langsamerer Konditionierung dieses Reizes. Diese Beobachtung nennt man latente Inhibition bzw. latente Hemmung.
Dein Hund wird sich deshalb immer eher neue, überraschende und auff\ällige Reize als Ankündigung für ein markantes Erlebnis merken. Latente Inhibition machen wir uns im Hundetraining oft zunutze. Beim „Sozialisieren“ zeigen wir schon unserem Welpen die große weite Welt. In den ersten Lebenswochen ist das Gehirn besonders bereit alltägliche Begebenheiten zu erkennen und als „egal“ abzuspeichern Diesen Effekt könnte man als latente Inhibition interpretieren.
Denn der junge Hund lernt durch Darbietung von allerhand Reizen des Alltags ohne spezielles Resultat, dass diese Dinge im weiteren Leben nicht weiter beachtenswert sind Ein gut sozialisierter Hund wird sich leichter damit tun nicht aus jedem Pups einen Trigger für Verhaltensauffälligkeiten zu machen als ein reizarm aufgewachsener Hund, für den alles neu und potentiell unsicher ist.
Auch im Hundesport setzen wir bewusst auf den Effekt der latenten Inhibition: Ein Hund, ür den durch gute Prüfungsvorbereitung der Hundeplatz, Flatterband zur Ringabgrenzung, aufgebaute Parcours, Trubel und Publikum, Verkaufsstände, Hörzeichen von Fremden, etc. schon langweilige alte Bekannte sind, wird diese nicht mit ungünstigen Erlebnissen am Prüfungstag paaren. Ein Hund, der das alles nicht kennt und bei seiner ersten Prüfung dann auch noch neben dem allgemeinen Stress die geballte Ladung Prüfungsangst von Mutti zu spüren bekommt, wird sich schnell merken, woran er „diese“ Tage festmachen kann, und fortan meidend auf Püfungssituationen reagieren.
Umgekehrt gilt: Wenn wir wollen, dass unser Hund auf einen bestimmten neuen Reiz reagieren lernt, dann dürfen wir diesen Reiz vorher nicht zigmal ohne die gewollten Folgen präentieren und für eine spätere Konditionierung „verbrennen“. Das gilt zum Beispiel für Lobworte und den Hundenamen. Wenn ein Hund schon tausendmal „Luna, Luna, Luna, Das-Haste-Fein-Gemacht“ oder „Pfui“ gehört hat, wird es zunehmend schwerer diese für den Hund völlig bedeutungslosen Reize irgendwann mal zu einem konditionierten Reiz mit entsprechender Bedeutung zu machen.
Die Fülle der Möglichkeiten für klassische Konditionierung beim Hund im realen Leben
Praktisch in jeder Lernsituation nimmt der Hund nicht nur einen, sondern eine ganze Mischung von zusammenhängenden Reizen wahr.
Aus diesen Reizgefügen können sich komplexe Bedingungen herauskristallisieren.
Das Gehirn kann lernen, dass eine bedingte Reaktion auf einen erlernten Reiz hin nur unter bestimmten Umständen Sinn macht.
Als Folge gibt es ein paar interessante Nebeneffekte für die klassische Konditionierung beim Hund:
Konditionierte Inhibitoren
Beim Lernen von konditionierten Inhibitoren lernt der Hund, dass eine erlernte Abfolge von Reizen unter bestimmten Bedingungen nicht wie gewohnt eintreten wird. Dabei können sowohl ein zusätzlich anwesender Reiz wie auch das Ausbleiben eines sonst anwesenden Reizes zum konditionierten Inhibitor werden. Zum Beispiel hätten Pawlows Hunde lernen können, dass ein Glockenton nur zu Futter führt, wenn gleichzeitig eine Lampe aufleuchtet. Oder dass nur Futter kommt, wenn während dem Glockenton das Radio ausgeschaltet wurde. Ereignis A führt nur zu Ereignis B, wenn gleichzeitig Ereignis C passiert ist. Oder: Ereignis A führt nur zu Ereignis B, wenn gleichzeitig nich Ereignis C passiert ist
Klingt kompliziert? Ist es auch ein bißchen!
Es geht darum, dass eine erlernte Reaktion nur Sinn macht, wenn gleichzeitig bestimmte Bedingungen erfüllt sind: Wenn Du Deinem Hund zum Beispiel immer nur bei Regen nach dem Spaziergang die Füße abtrocknest und dein Hund das hasst, wird er auch nur bei Regen meidend auf die Heimkehr nach dem Spaziergang reagieren lernen. Dein Hund kann lernen, dass Kommen auf Zuruf nur Freude bringt, wenn Du nicht schon die Leine zum Anleinen griffbereit hältst. Dein Hund kann lernen, dass eine Reaktion auf die Türklingel nur Sinn macht, wenn tatschlich jemand zuhause ist, der die Tür öffnen könnte. Dein Hund kann lernen, dass der Griff nach dem Hausschlüssel nur dann zum Verlassen-Werden führt, wenn nicht noch jemand anderes zuhause ist. Dein Hund kann lernen, dass das Ausbleiben von Reizen wie einer sichtbaren Trainingsweste, einem Futterbeutel oder einem Griff nach der Jackentasche bedeuten, dass er für die Ausführung eines Hörzeichens nicht belohnt werden wird. Er wird es befolgen, aber nur halb so freudig.
Ganz deutlich kann man konditionierte Inhibitoren bei Hunden mit ausgeprägtem Angst- und Meideverhalten beobachten: Ein Hund, der ohne Belohnungen trainiert wird, und sich in ständiger Angst vor Strafen beschwichtigend und meidend durch den Alltag schleppt, lernt oft hochfreudig auf verbales Lob zu reagieren. Er weiß, dass jetzt eine der wenigen Situation des Tages folgt, in der er zwar auch nicht besser weiß, was er tun soll, aber zumindest nicht bestraft werden wird. Das Lob ist ein konditionierter Inhibitor für die sonst meidende Reaktion auf Training. Man spricht dann in der Hundeszene auch von einem „Sicherheitssignal „. Ein Hund kann auch lernen, dass er nur auf dem Hundeplatz belohnt oder bestraft werden wird und sich nur an diesem Ort über Hörzeichen so richtig freuen oder diese so richtig hassen lernen.
Hunde können auch lernen an bereits abgeschlossenen vorangegangenen Reizen festzumachen, ob ihre erlernte Reaktion Sinn machen wird. Diese erlernte Bedingungen bezeichnet man als „occasion setter „: Ereignis A führt nur zu Ereignis B, wenn Ereignis C passiert ist. Dein Hund kann lernen, dass Kommen auf Abruf nur dann ein freudiges Ereignis ist, wenn er vorher beobachtet hat wie Du Kekse eingesteckt hast.
Er wird vermutlich trotzdem kommen, aber Dein Hörzeichen wird bei einem Hund mit dieser Lernerfahrung eben keine Begeisterung auslösen. Dein Hund kann lernen, dass abgerufen werden nur dann blöd ist, wenn Du vorher ein Bad für ihn eingelassen hast oder sein verhasstes Hundegeschirr bereit gelegt hast.
Klassische Konditionierung höherer Ordnung
Bei der klassischen Konditionierung erster Ordnung lernt der Hund Ereignisse vorauszusagen:
Wenn Dein Hund gelernt hat auf die Türklingel zu reagieren, kann er sich aber weitere Zeichen merken, die ihrerseits die Türklingel ankündigen.
Dein Hund kann zum Beispiel lernen zu antizipieren, dass es gleich klingeln wird, wenn er Schritte vor der Haustür hört oder ein Auto vor der Haustür parkt.
Die Schritte vor der Haustür wurden dabei nie direkt mit dem unbedingten Reiz „Eindringling “ gepaart. Die Schritte vor der Haustür wurden nur mit dem bereits konditionierten Reiz gepaart.
Man spricht dann auch von konditionierten Reizen höherer Ordnung.
Typisch ist, dass die Reaktion immer schwächer wird, je weiter man sich entlang einer Verkettung vom ursprünglich erlernten Reiz weg bewegt.
Die Türklingel führt zur vollen Reaktion. Schritte vor der Haustür, die die Türklingel ankündigen, werden etwas halbherziger angebellt. Ein Motorengeräusch in der Ferne wird nur noch bewinselt. Wenn man genau hinsieht, kann man das Phänomen bei vielen Hunden im Alltag beobachten
Die Mitnehmbotschaft
Wenn Du Dir nur eine Sache merkst, dann lass es folgende sein:
Dein Hund hat nicht immer eine freiwillige Kontrolle darüber, wie er auf Ereignisse reagiert.
Bleib fair, manchmal muss man nicht am Verhalten selbst, sondern an der Erwartungshaltung und den Auslösern ansetzen!
Ein Hund, der bei der Türklingel mit positiven statt negativen Erlebnissen rechnet, der hat keine schlechten Gefühle zum Verknüpfen übrig.
Ein Hund, der anderen Hund nicht mehr so sehr hassen lernt, wird auf erlernte Trigger hin dann auch nicht mehr ausrasten.
Und ein Hund, den Training nicht mehr so sehr aufregt, wird auch beim Fahren zum Hundeplatz nicht schon in vollen Tönen im Kofferraum jodeln.
Ein Hund, der Angst vor Orten und Menschen hat, kann durch klassische Konditionierung viel besser eine gute Erwartungshaltung entwickeln als durch reines Belohnen von richtigem Verhalten.
Zusammenfassung
Klassische Konditionierung findet statt, wenn der Hund ganz unterbewusst lernt einen neutralen Reiz als gute Vorhersage für ein relevantes Ereignis zu betrachten.
Er wird fortan auf diesen erlernten Reiz in ähnlicher Form wie auf das eigentliche Ereignis reagieren.
Klassische Konditionierung betrifft nur unfreiwillige körperliche Reaktionen.
Dein Hund kann sich nicht aussuchen, ob er reagieren möchte. Und auch Belohnung und Strafe können diese Assoziationen nicht verändern.
Nur eine neu trainierte Erwartungshaltung kann die Reaktion auf einen einmal konditionierten Reiz wieder verändern.
Trainingsprobleme solltest Du im echten Leben gemeinsam mit einem Hundetrainer lösen!
Du findest hier lediglich Erfahrungsberichte und allgemeine Informationen über Lernverhalten und die Theorie rund ums Lernen und Verhalten beim Hund. Du findest hier weder Ersatz für eine individuelle Beratung und natürlich auch keine individuell zugeschnittenen Trainingsempfehlungen für Deine einzigartige Situation.